Herr Professor Sinn, Sie werfen der Bundesregierung vor, durch die Reform der Körperschaftssteuer Aktionären echte Vermögensgeschenke gemacht zu haben. Wodurch entsteht dieser Effekt?
SINN: Die Unternehmen können in früheren Jahren einbehaltene und versteuerte Gewinne ausschütten und auf diese Weise die hohe frühere Steuerbelastung durch die neue Steuerbelastung von nur 25 Prozent ersetzen. Positive Anreizeffekte für die Investitionen sind von solchen Geschenken nicht zu erwarten, denn die Investitionen, deren Gewinne nun nachträglich entlastet werden, sind allesamt unverrückbare historische Fakten. Die Entlastung neuer Gewinne war richtig, die alter Gewinne nicht.
Wieso wird durch die Reform die Eigenkapitalbasis der Betriebe geschwächt?
SINN: Die Regierung wollte mit ihrer Reform ja die Unternehmen stützen, nicht aber die Unternehmer. Sie hat die Belastung der einbehaltenen Gewinne gesenkt, weil sie die Gewinnthesaurierung fördern wollte. Indem sie nun aber auch eine nachträgliche Steuererstattung für den Fall der Ausschüttung vorgesehen hat, hat sie eine Ausschüttungswelle induziert. Angesichts der vielen Unternehmenspleiten in diesem Jahr hat das fatale Folgen.
Sie fordern eine Besserstellung von Personengesellschaften im Vergleich zu Kapitalgesellschaften. Was sollte die nächste Bundesregierung dafür tun?
SINN: Die Benachteiligung der Personengesellschaften ergibt sich bei den einbehaltenen, nicht aber bei den ausgeschütteten Gewinnen. Die Regierung sollte den Spitzensatz der Einkommensteuer absenken. Dann würde sie den Personengesellschaften helfen, und darüber hinaus würde sie einen Beitrag zur Verringerung der exzessiven Belastung der Arbeitseinkommen leisten.