Der Leiter des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, Professor Hans-Werner Sinn, im Interview.
Die WELT: Signalisiert der rückläufige Geschäftsklimaindex eine konjunkturelle Trendwende?
Hans-Werner Sinn: Er ist zumindest ein Signal für die Möglichkeit, dass der Aufschwung unterbrochen wird. In der ersten Jahreshälfte hatte das Wachstum auf Jahresbasis hochgerechnet noch gut ein Prozent betragen. Dieses Wachstum lässt sich so nicht fortsetzen. Freilich kann niemand sagen, ob es sich hier um eine dauerhafte Trendwende handelt oder nur um eine Pause beim Aufschwung. Ich hoffe, es ist nur eine Pause. Allerdings beurteilen wir im Ifo-Institut die Lage als ausgesprochen ernst.
Die WELT: Zunehmend sorgen sich auch die Mittelschichten um ihre Arbeitsplätze. Berechtigt?
Sinn: Von einer Konjunkturabschwächung sind immer alle Schichten betroffen. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Arbeitsplätze ungelernter Kräfte als erste bedroht sind. Je länger eine Rezession dauert, desto stärker sind auch Arbeitsplätze von Besserqualifizierten und damit auch die Mittelschichten betroffen. Wir befinden uns in einer längeren Wirtschaftsflaute mit erheblichen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Und einiges spricht dafür, dass die Dinge sich derzeit nicht zum Guten entwickeln.
Die WELT: Liegt der neuerliche Abschwung in der weltwirtschaftlichen Entwicklung begründet oder in Fehlern der Bundesregierung?
Sinn: Wir machen unsere Umfrage in 80 Ländern. Die Fachleute haben mit Blick auf die Weltkonjunktur erst kürzlich ihre Erwartungen nach unten korrigiert. Doch war die Beurteilung auch im dritten Quartal noch besser als im zweiten. Deutschland hat Sonderprobleme. Wir hinken beim Wachstum seit Mitte der neunziger Jahre deutlich hinterher. Das liegt an den Verkrustungen, an der gewaltigen Abgabenlast, dem überbordenden Steuerstaat.
Fragen: Carl Graf Hohenthal