Prof. Hans-Werner Sinn ist Chef des Ifo-Instituts in München, das den wichtigsten In-dikator für die wirtschaftliche Entwicklung n Deutschland erhebt, den Ifo-Geschäftsklimaindex.
Verkehrs-Rundschau: Gibt es Anzeichen dafür; das sich der Ifo-Index positiv entwickelt?
Sinn: Nein. Der Index ist zum siebten Mal hintereinander gefallen. Jetzt warten wir ge-spannt, was sich zum Ende dieses Monats ergibt. Die schwierige wirtschaftliche Lage zieht sich weiter in die Länge. Daher sind unsere Erwartungen für das laufende Jahr mit einem Plus von einem Prozent beim Bruttoinlandsprodukt entsprechend pessimistisch.
Befinden wir uns in einer Rezession?
Sinn: Von einer Rezession würde ich nicht sprechen, aber eine Krise ist es allemal. Und zwar eine Krise, die schlimmer ist als eine kurze Rezession, weil wir jetzt im dritten Jahr hintereinander kein richtiges Wachstum haben.
Warum kommt es nicht zu dem langersehnten Aufschwung?
Sinn: Die Kriegsgefahr im Irak hat eine latente Verunsicherung ausgelöst und dafür gesorgt, dass das Pflänzchen des Aufschwungs nicht gewachsen ist.
Ist das die alleinige Ursache?
Sinn: Für den fehlenden Aufschwung: ja. Der hat aber nichts mit der deutschen Wachs-tumsschwäche zu tun, die strukturelle Gründe hat, unabhängig von der derzeitigen Konjunktur. Die Ursache dieser Schwäche liegt vor allem in einer Lohnpolitik, die 30 Jahre immer ein bisschen zu sehr zugelangt hat und uns damit ein Lohnkostenniveau beschert hat, das im Bereich des verarbeitenden Gewerbes bei den Arbeitern das höchste weltweit ist. Als Folge dieser hohen Löhne ist die Arbeitslosigkeit gestiegen, was zu wachsenden Kosten für den Sozialstaat geführt hat. Die wurden dann wieder umgelegt in die Arbeitskosten, so das sich eine Art Teufelsspirale ergeben hat.
Was müsste getan werden, um sich aus dieser Spirale zu befreien?
Sinn: Wir müssen uns bei den Lohnforderungen und Preiserhöhungen bescheiden, so dass wir im internationalen Vergleich an Wettbewerbsfähigkeit gewinnen. Leider gibt es derzeit jedoch keine Anzeichen dafür, dass dies passiert.
Prof. Norbert Walter von der Deutschen Bank schlägt vor, die Steuern und Abgaben zu senken...
Sinn: Erst müssen wir die Abgaben senken, vor allem im Sozialetat. Wir müssen ein paar Rentenerhöhungsrunden auslassen oder sie wenigstens auf einen Inflationsausgleich beschränken. Ferner sollten wir radikal bei den Subventionen für die Unternehmen kürzen, die bei immerhin 100 Milliarden Eure liegen. Wenn wir das geschafft haben, können wir auch die Steuern senken. (cd)