INTERVIEW mit dem Ökonomen Hans-Werner Sinn
Brächte eine Arbeitszeitverlängerung mehr Wachstum und Beschäftigung?
HANS-WERNER SINN: Ja, aber das Ziel ließe sich einfacher erreichen, wenn wir die Arbeitszeit ein bißchen verlängern würden. Wenn wir zehn Prozent länger arbeiteten, also von 38 auf 42 Stunden pro Woche gingen, entspräche dies etwa 20 bis 30 Feiertagen. So viel haben wir gar nicht. Die Streichung eines Feiertages ist ein schmerzlicher Beitrag, der nicht viel bringt. Die Verlängerung der Arbeitszeit wird wahrscheinlich auf viel weniger Widerstand stoßen und hat zudem einen viel größeren Effekt.
Bundesfinanzminister Eichel hat den Wachstums-Beitrag durch die Streichung eines Feiertages mit 0,1 Prozent beziffert. Eine Milchmädchenrechnung?
SINN: Das ist keine Milchmädchenrechnung, nur eine sehr vorsichtige Rechnung. Ich glaube, der Effekt liegt bei einem Feiertag wie dem 3. Oktober langfristig eher im Bereich von einem Drittel Prozent. Nur kann man langfristig eben bis zu zehn Prozent zusätzliches Wirtschaftswachstum nur erreichen, wenn man zehn Prozent länger arbeitet. Das ist eine ganz andere Größenordnung.
Gegen Mehrarbeit wird angeführt, dies würde nur zu noch mehr Arbeitsplatzabbau führen, weil weniger Beschäftigte benötigt würden. Ist das ein Trugschluss?
SINN: Wer so argumentiert, muss auch die Ansicht vertreten, dass technischer Fortschritt, der die Arbeit produktiver macht, Arbeitsplatzabbau bedeutet. Beides hat exakt die gleichen Wirkungen im Wirtschaftsablauf.
Wäre denn eine Rückkehr zur 40-Stunden-Woche sinnvoll und was würde dies an Wachstum bringen?
SINN: Das Sozialprodukt wäre nach einer gewissen Anpassungsphase dauerhaft um drei bis fünf Prozent höher als ohne.
In den neuen EU-Ländern sind die Arbeitskosten aber weitaus niedriger. Bringen denn fünf Prozent Mehrarbeit in Deutschland überhaupt etwas?
SINN: Sie haben Recht, das ist noch zu wenig. Aber wir müssen nicht auf das tschechische oder polnische Lohnniveau kommen, weil die Arbeit in Deutschland noch sehr viel produktiver ist. Man kann um soviel teurer sein wie man besser ist. Aber wenn man sieben Mal so teuer ist, müsste man sieben Mal so gut sein. Das sind wir nicht.