Ifo-Präsident Hans Werner Sinn über den vierten Munich Economic Summit
Eine Plattform für den Dialog zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik will der Munich Economic Summit sein, den die Herbert-Quandt-Stiftung und das ifo Institut für Wirtschaftsforschung heute und morgen im Bayerischen Hof veranstalten. Einer der Gastgeber auf diesem vierten Münchner Wirtschaftsgipfel ist Hans-Werner Sinn, Präsident des Münchner ifo Instituts.
SZ: Die Tagung findet nun zum vierten Mal statt. Wie ist die Idee für diesen Wirtschaftsgipfel entstanden?
Sinn: Europa entwickelt sich, die Deutschen beteiligen sich an dieser Diskussion zu wenig, deshalb haben wir diese Veranstaltung als einen Baustein der Strategie. nach Europa zu gehen, etabliert. München ist dafür sehr geeignet - und eine Institution wie das ifo Institut hat eine gewisse Bringschuld gegenüber dem Standort.
SZ: Sehen Sie sich von der Stadt ausreichend unterstützt?
Sinn: Oberbürgermeister Ude wird bei der Tagung einen Vortrag halten, wir bekommen Unterstützung von Teilen der Münchner Wirtschaft. Die Veranstaltung kostet eine Menge Geld, und da haben sich einige große in München ansässige Firmen dahinter gestellt. Die Quandt-Stiftung ist intellektueller Partner und Sponsor.
SZ: Weshalb das Thema Europa?
Sinn: Die Geschwindigkeit des europäischen Integrationsprozesses, wie er mit dem Euro und der EU-Erweiterung deutlich wird, ist faszinierend, aber auch eine Herausforderung, sich mit diesen Prozessen auseinander zu setzen.
SZ: Wie viele Teilnehmer kommen?
Sinn: Ungefähr 130.
SZ: Wann ist für Sie eine solche Konferenz eine gelungene Tagung?
Sinn: Wenn Meinungen offen aufeinander prallen und man sich nicht in political correctness übt.
SZ: Dieses Jahr ist der Lissabon-Prozess das Hauptthema.
Sinn: Es geht uni die Zielsetzung des EU-Gipfels im Jahr 2000. Damals wurde beschlossen, dass Europa bis zum Jahr 2010 der weltweit führende und dynamischste Wirtschaftsraum werden will. Jetzt ist Halbzeit - und leider ist nicht viel passiert. Es ist im Wesentlichen bei Sprüchen geblieben. Europa ist nicht die wettbewerbsfähigste Region der Welt, sondern die Region, die in den vergangenen zehn Jahren am langsamsten gewachsen ist.
SZ: Woran liegt das?
Sinn: Es gibt zu viele reiche, gesättigte Länder, die Wohlfahrtsstaaten aufgebaut haben und jetzt in Schwierigkeiten sind, wenn es darum geht, der globalen Konkurrenz zu begegnen.
SZ: Der Lissabon-Prozess ist also stecken geblieben.
Sinn: Ja, die hehren Ziele stehen in krassem Gegensatz zur Realität. Viele Bürger empfinden Europa als Farce, das reflektieren auch die Abstimmungen in Frankreich und den Niederlanden. Viele meinen. dass sich in Brüssel ein Wasserkopf gebildet hat, der sein Eigenleben entfaltet. Ich bin nicht dieser Auffassung, aber meine, dass Europa sich verbessern muss, um den Bürgern wieder Vertrauen einzuflößen.
SZ: Wenn es jetzt eine Abstimmung in Deutschland gäbe, käme dabei eine Mehrheit für die europäische Verfassung heraus?
Sinn: Wohl nicht, wenn man den aktuellen Meinungsumfragen glauben darf.
SZ: Das klingt nach einer traurigen Tagung.
Sinn: Solche Veranstaltungen sind nicht zum Lobhudeln da, im Gegenteil. Mediziner reden auf ihren Kongressen auch nur über Krankheiten.
Interview: Otto Fritscher