Dem Klima hilft das alles nicht

Interview mit Hans-Werner Sinn, private wealth, 01.01.2008, Nr. 1, S. 14

Unsere Klimaschutzmaßnahmen zielen darauf ab, die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen zu senken. Leider, sagt Prof. Hans-Werner Sinn, Präsident des ifo-Instituts, stoppt dies die globale Erwärmung nicht.

Wir bauen Solarmodule auf unsere Dächer. Windkraftanlagen auf unsere Hügel. Und lassen uns dies jedes Jahr Milliarden an Subventionen kosten. Wir kaufen sparsame Autos. Dämmen die Häuser. Akzeptieren Öko-Steuern. Und fühlen uns deshalb als Vorzeige-Klimaschützer.

„Wir meinen nur, wir helfen so, die globale Erwärmung zu verlangsamen. Tatsächlich tun wir das aber nicht", sagt Hans-Werner Sinn, Präsident des Münchner ifo-Instituts. Kann das wirklich sein? „Ich erkläre es Ihnen", sagt Sinn: „Das gesamte Angebot an fossilen Brennstoffen liegt ja heute schon in der Erde. Wenn wir es herausholen - in Form von Erdöl oder Kohle - und es verbrennen, entsteht CO2. Davon gehen 45 Prozent in die Atmosphäre, wo es Tausende von Jahren bleibt. Wollen wir den Anstieg des CO2-Gehalts verringern, müssen wir also dafür sorgen, dass die Eigentümer der fossilen Rohstoffe - sagen wir stellvertretend die Ölscheichs - das Tempo drosseln, mit dem sie Öl aus der Erde holen. Gelingt uns das nicht, ist alles nutzlos. Stimulieren wir die Nachfrage nach erneuerbaren Energien, sorgen wir nur dafür, dass die Welt mehr Energie zur Verfügung hat. Die alternativen Energien treten zum Energieangebot hinzu. Sie machen das Leben schöner. Aber helfen der Umwelt nicht. Denn der Ölpreis auf den Weltmärkten steigt nun weniger stark an, als es sonst der Fall wäre. Andere - Indien oder China - können ihren Konsum erhöhen. Was wir sparen, verbrauchen sie. Die Emission von CO2 und die Gefahr der Erderwärmung ändern sich nicht."

Das ist bitter. Die Kernfrage, so Sinn, laute nun: „Nach welchen Regeln funktioniert das Angebot?" Ölscheichs seien ja rationale Menschen. „Die Entscheidung - abwarten oder gleich fördern und den Erlös investieren - treffen sie so, dass aus ihrer Sicht der höchstmögliche Ertrag erwirtschaftet wird. Ein Problem ist dabei die Eigentumsfrage. 75 Prozent der Brennstoff-Reserven liegen in politisch unsicheren Gebieten. Weil die Potentaten nicht davon ausgehen können, dass ihre Kinder noch in den Genuss des Öls kommen, fördern sie ihre Reserven viel zu schnell. Ein zweites Problem sind unsere ´grünen` Aktivitäten. Reduzieren wir unsere Nachfrage nach fossilen Brennstoffen, wirkt das wie eine Steuer für den Ressourcenbesitzer. Muss der Ölscheich damit rechnen, dass wir in Zukunft immer grüner werden, steigt der erwartete Steuersatz an. Und der Anreiz, schon heute mehr zu fördern. Eine immer schärfer zupackende Klimapolitik ruft also Vorzieheffekte hervor und beschleunigt den Klimawandel sogar noch."

Welche Lösungen gibt es? „Wir könnten die Scheichs subventionieren, sie dafür bezahlen, dass sie nicht fördern. Wir könnten die Eigentumsrechte von Diktatoren besser schützen. Oder ein System weltweiter Quellensteuern einführen und zur Not Kriegsschiffe zu den Steueroasen schicken, um es weniger lukrativ zu machen, die Reserven heute zu versilbern und am Kapitalmarkt anzulegen."

All das, sagt Sinn, sind aber nur theoretische Möglichkeiten. Was tatsächlich funktionieren könnte, wären weltweit bindende Mengenbeschränkungen. „Bisher sind nur 29 Prozent des CO2-Ausstoßes der Welt vom Kyoto-Protokoll mit seinen Zielwerten für den Ausstoß von Treibhausgasen betroffen. Das zeigt, wie weit der Weg noch ist."

Deshalb bleibe uns eigentlich nur, das Schlimmste zu vermeiden - durch Sequestrierung von CO2 und Wiederaufforstung. „Wir könnten ein unterirdisches Röhrensystem bauen. Und die Löcher, aus denen wir fossile Brennstoffe holen, mit verflüssigtem CO2 füllen. Auch das ist aber nicht einfach. Diese Technologie steckt in den Kinderschuhen, und flüssiges CO2 hat viel mehr Volumen als Kohle, Öl oder Methan. Die große Lösung ist das also nicht."

Und Aufforstung? „Ein Baum ist reduzierter Kohlenstoff. Was im Holz ist, ist nicht in der Luft. Deshalb ist es dramatisch, dass wir pro Jahr weltweit netto 94 000 Quadratkilometer Wald - die Fläche Irlands - abholzen. Dies ist für 18 Prozent des gesamten durch Menschen verursachten CO2-Ausstoßes verantwortlich. Wenn wir das stoppen, wäre viel erreicht. Mehr jedenfalls als durch Subventionen für erneuerbare Energien. Die helfen vielleicht der jeweiligen Industrie und machen uns insgesamt unabhängiger von der Ressource Öl. Dem Klima aber nützen sie nicht."