Berlin • Hoher Euro-Kurs, Mindestrente, Mindestlohn und Vollbeschäftigung: Themen, die die Wirtschaft bewegen. Rasmus Buchsteiner sprach darüber mit dem Präsidenten des Instituts für Wirtschaftsforschung(ifo), Hans-Werner Sinn.
Welche Risiken, sehen Sie derzeit für die Konjunktur in Deutschland?
Sinn: Das Problem liegt im außenwirtschaftlichen Bereich. Die Exporte kommen wegen des hohen Euro-Kurses allmählich unter Druck, Die Lohnsteigerungen schwächen das Wachstum auch bei den Investitionsgütern ab. Die weltwirtschaftliche Konjunktur bricht bereits ein. Das nächste Jahr könnte deshalb auch für uns ungemütlich werden. Allerdings zieht der Konsum in diesem Jahr erst einmal an. Wie immer ist er in der Endphase der Konjunktur eine temporäre Stütze, die den Abschwung hinauszögert.
Heftige Debatten über die gesetzliche Rente: Wird Altersarmut in Deutschland zum Massenphänomen?
Sinn: Die Altersarmut ist beim Rentensystem das Schicksal der Deutschen. Die Relation von Alten zu Jungen wird sich in den nächsten dreißig Jahren fast verdoppeln, das Umlagesystem kommt In die Krise. Ein sehr großer Teil der Renten wird nicht mehr über dem Sozialhilfeniveau liegen. Das von Rüttgers beschriebene Problem wird immer virulenter.
Wie lässt sich gegensteuern?
Sinn: Die Rückkehr zur Mindestrente, wie wir sie bis 1992 hatten, wäre sehr teuer. Wir brauchen mehr kapitalgedeckte Zusatzrenten, um die Altersarmut zu verhindern. Nur 30 Prozent der Berechtigten sparen für eine Riester-Rente. Das ist ein Skandal. Man muss dafür sorgen, dass alle mitmachen. Wir benötigen eine Riester- Pflicht. Es gibt zu viele Trittbrettfahrer, die sagen: Der Staat wird mich schon nicht hängen lassen, wenn ich nicht spare. Dieses Verhalten kann nicht toleriert werden.
Welche Arbeitsmarktreformen sind notwendig?
Sinn: Es zeigt sich, dass die Reformen der Regierung Gerhard Schröders ein fulminanter Erfolg sind. Hartz IV hat den impliziten Mindestlohn im Sozialsystem deutlich gesenkt, weil jetzt weniger fürs Wegbleiben und mehr fürs Mitmachen gezahlt wird. Die Senkung des Mindestlohns hat in Westdeutschland 1,1 Millionen Stellen mehr geschaffen als durch den Konjunkturaufschwung erklärt werden können.
Ist Vollbeschäftigung in Deutschland möglich?
Sinn; Natürlich. Eine Marktwirtschaft kann grundsätzlich für jeden einen Job bereitstellen, bei gering Qualifizierten freilich nicht zu einem Lohn, von dem man leben kann. Man braucht Lohnzuschüsse, wie sie durch Hartz IV eingeführt wurden. Ich würde diese erhöhen. Heute darf man 100 Euro hinzuverdienen, ab dem 101. nimmt der Staat einem 80 Cent je zusätzlichem Euro weg. Es sollte mehr Hinzuverdienst zugelassen sein. Bis zu 500 Euro Eigenverdienst sollte kein Euro abgezogen werden, von jedem weiteren sollte man ein Drittel bis zur Hälfte behalten dürfen.