Hans-Werner Sinn über Zukunft des deutschen Arbeitsmarkts und die Wirkung der Agenda 2010
Siemens und HypoVereinsbank wollen Tausende Stellen streichen. Vorboten des Abschwungs am deutschen Arbeitsmarkt?
Nein. Das sind Einzelphänomene, die es immer gibt. Denken Sie an das Nokia-Werk in Bochum. Job-Aufbau und -Abbau laufen immer parallel. Entscheidend ist der Saldo. Und der ist weiter positiv bis etwa September 2009. Die durchschnittliche Arbeitslosenzahl im kommenden Jahr wird bei 3,1 Millionen liegen.
Werden wir jemals wieder Arbeitslosenzahlen von mehr als fünf Millionen in Deutschland erleben wie Anfang 2005?
Wenn die Reformen der Agenda 2010 der letzten Bundesregierung nicht rückgängig gemacht werden, müssen wir das nicht befürchten. Mit den Mindestlohnregeln, die nun vielleicht beschlossen werden, ist das Spiel aber wieder offen. Schröders Reformen haben für eine ungewöhnliche Dynamik am Arbeitsmarkt gesorgt. Wir haben in Westdeutschland 1,1 Millionen mehr Jobs bekommen, als die Wiederholung früherer Konjunkturmuster hätte erwarten lassen. Entsprechend würde uns die nächste Flaute mehr als eine Millionen weniger Arbeitslose bescheren als der letzte Abschwung, wenn die Bundesregierung auf die Rolle rückwärts bei den Reformen verzichten würde.
Sind drei Millionen Arbeitslose der Sockel, mit dem wir langfristig zurechtkommen müssen?
Nein. Zwar kriegen wir diesen Sockel konjunkturell nicht weg, aber doch durch eine Fortsetzung struktureller Reformen, wie sie Bundeskanzler Schröder begonnen hat. Den unumstößlichen Sockel an Arbeitslosen, den man selbst mit der besten Reform nicht wegbekommt, sehe ich bei einer halben Million Menschen.