OÖN: Sie sind der Ansicht, der Ausstieg aus der Atomkraft kommt zu früh?
Sinn: Nicht nur zu früh, er ist auch völlig falsch.
OÖN: Dann gehen Sie im Gegensatz zu Herrn Hey nicht davon aus, dass 2050 Europa ausschließlich mit grünem Strom versorgt wird.
Sinn: Das halte ich für eine Illusion. Schon jetzt ist Deutschland mit Windrädern zugepflastert und verschandelt. Der Effekt ist: 1,4 Prozent des gesamten Endenergieverbrauchs stammen aus Windkraft. Jetzt kann ich mir mit viel Phantasie vorstellen, dass man irgendwann den Ausstieg aus der Atomkraft schafft. Aber wie will man dann den Strom aus fossilen Energieträgern ersetzen, die für den CO2-Ausstoß mit verantwortlich sind und 85% des Endenergieverbrauchs ausmachen?
OÖN: Mit Offshore-Windkraftwerken?
Sinn: Das kann ich mir schwer vorstellen. Das ist zu teuer.
OÖN: Oder mit Solarkraftwerken in der Wüste?
Sinn: Schon eher. Aber für das Projekt Desertec muss erst mal jemand 400 Milliarden Euro in die Hand nehmen.
OÖN: Strom aus erneuerbaren Energieträgern bedarf auch eines Ausbaus der Leitungen. Ist das realistisch?
Sinn: Es wird wohl gewaltige Widerstände geben. Windstrom wird im Gegensatz zu Atomstrom nicht kontinuierlich produziert. Es braucht Speicherkapazitäten. Aber der Wind weht im Norden, die Speicher sind im Süden.
OÖN: Welchen Strom bezieht Deutschland 2050?
Sinn: Atomstrom aus Tschechien und Frankreich.
OÖN: Wird der Strompreis steigen?
Sinn: Ja, aber nicht exzessiv, eben weil der Atomstrom zur Verfügung steht.
OÖN: Der Preis für Atomstrom spiegelt aber keine Kostenwahrheit, weil die Risiken nicht versicherbar sind.
Sinn: Das ist richtig. Atomstrom ist insofern zu billig. Man wird einen Weg finden müssen, etwa über einen Versicherungszwang. Ich gehe davon aus, dass man diese Versicherungssumme von 100 bis 200 Milliarden Euro bewältigen kann.