ifo Standpunkt Nr. 1: Rente mit 60

Autor/en
Hans-Werner Sinn
München, 26.10.1999

Die IG Metall möchte im Rahmen des Bündnisses für Arbeit die Rente mit 60 durchsetzen, wobei an eine Umlagefinanzierung mit temporärer Zwischenlagerung der bei Arbeitnehmern und Arbeitgebern eingenommenen Beiträge (Tariffonds) gedacht wird.

Der Vorschlag ist ein neuerlicher Versuch, die Arbeitslosen zu verstecken, der nichts zur Lösung der Probleme auf dem Arbeitsmarkt beiträgt, sondern sie nur noch verschärft. Schon Minister Blüm hatte mit seinen Frühverrentungsmodellen ähnliches versucht. Durch die Frühverrentung gelingt es, ältere Arbeitslose umzubenennen und zunächst partiell auch ältere Arbeitnehmer durch jüngere zu ersetzen. Die Folge ist jedoch eine Zunahme der auf den Löhnen lastenden Abgaben, die den Faktor Arbeit verteuert und die Gesamtzahl der Arbeitsplätze verringert. Es entsteht neue Arbeitslosigkeit, die die nächste Regierung mit einer ähnlichen Methode wieder zu verstecken trachtet, was abermals eine Erhöhung der Abgabenbelastung und einen Abbau von Arbeitsplätzen zur Folge hat.

Der Zwang, den Wählern innerhalb einer Legislaturperiode schnelle Erfolge bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit nachzuweisen, führt in eine Teufelsspirale mit einem sich ständig verringernden Bestand an rentablen Arbeitsplätzen. Immer mehr Geld wird für das Nichtstun bezahlt, und immer mehr Lasten müssen von den Arbeitenden getragen werden. Der Arbeitsmarkt schrumpft bei jedem Reformschritt.

Die Frühverrentung führt nicht nur zur Vernichtung von Arbeitsplätzen, sondern ist auch das Gegenteil dessen, was im Interesse einer Konsolidierung der Rentenversicherung erforderlich ist.

Die Deutschen werden immer älter und haben immer weniger Kinder. In 35 Jahren stehen einem Menschen im erwerbsfähigen Alter auch ohne die Frühverrentung mehr als doppelt so viele ältere Menschen gegenüber wie heute. Eher eine Erhöhung als eine Verringerung des Rentenzutrittsalters ist unter diesen Umständen erforderlich, um der wachsenden Überlastung der Arbeitnehmer entgegenzuwirken.

Hans-Werner Sinn
Präsident des ifo Instituts