Letzten Sommer drängte George Soros Deutschland mit dem Slogan “Lead or leave!”, dem permanenten Stabilitätsmechanismus ESM zuzustimmen. Jetzt blufft er, Deutschland müsse aus dem Euro aussteigen, wenn es die Eurobonds weiterhin blockiere. Er spielt mit dem Feuer, denn genau das fordert die “Alternative für Deutschland”, die neue Partei aus der Mitte der Gesellschaft, die gerade in Deutschland gegründet wurde.
Viele Investoren reden wie Soros. Sie wollen Eurobonds, damit sie sich aus dem Staub machen können. Die Staatengemeinschaft soll ihnen die toxischen Staatspapiere der südlichen Länder mit dem Erlös aus dem Verkauf der Eurobonds abkaufen, damit sie ihr Geld in Sicherheit bringen können. Schon heute werden die Steuerzahler zur Entsorgung von Schrottpapieren missbraucht. Immerhin haben von ihnen abgesicherte Institutionen wie die EZB und die Rettungsschirme für 1,2 Billionen Euro Kredite gewährt.
Wenn Soros recht hätte und Deutschland zwischen Eurobonds und dem Euro wählen müsste, dann würden sicherlich sehr viele Deutsche den Austritt aus dem Euro vorziehen. Die neue deutsche Partei erhielte sehr viel Zulauf, und die Stimmung würde kippen. Auch der Euro wäre dann am Ende, denn seine wesentliche Aufgabe bestand ja gerade darin, die Dominanz der Geldpolitik der Bundesbank zu brechen.
Aber Soros hat nicht recht. Zunächst einmal gibt es keine rechtliche Basis für sein Verlangen. Der Maastrichter Vertrag schließt mit Artikel 125 AEUV die Vergemeinschaftung von Staatsschulden sogar ausdrücklich aus. Vor allem aber verkennt Soros die wahre Natur der Krise. Europa leidet nur vordergründig unter einer Finanzkrise. Der Kern der Krise liegt im Verlust der Wettbewerbsfähigkeit der südlichen Länder. Diese Länder kamen durch den Euro zu billigem Kredit und finanzierten damit Lohnsteigerungen, die durch die Produktivität nicht gedeckt waren. Das hat ihre Preise explodieren lassen und sie der Wettbewerbsfähigkeit beraubt. Den Lebensstandard mit künstlich verbilligten Krediten der Staatengemeinschaft aufrechtzuerhalten hieße nur, die fehlende Wettbewerbsfähigkeit zu zementieren und im Süden eine “Holländische Krankheit” zu erzeugen. Es würden Gläubiger-Schuldner-Verhältnisse zwischen den Staaten der Eurozone aufgebaut, die nichts als Hass und Zwietracht erzeugen würden.
Um wieder wettbewerbsfähig zu werden, müssen die Länder des Südens die Preisschraube zurückdrehen, und die Länder des Nordens müssen stärker inflationieren. Eurobonds würden genau dies verhindern, denn die relativen Güterpreise im Norden lassen sich nur dann erhöhen, wenn die Sparer des Nordens ihr Geld zu Hause investieren, anstatt es unter dem Geleitschutz der Eurobonds in den Süden zu schicken.
Gegenüber dem Durchschnitt müssen Länder wie Griechenland, Portugal oder Spanien um 20 bis 30 Prozent billiger werden, und Deutschland muss gegenüber dem Durchschnitt um 20 Prozent teurer werden. Sicher, träte Deutschland aus dem Euro-Verbund aus, würde dem Süden der Weg zur Wettbewerbsfähigkeit erleichtert, weil der Rest-Euro dann abwerten würde, aber die Grundproblematik bliebe für die Krisenländer bestehen, solange die anderen wettbewerbsfähigen Länder im Euro bleiben. Spanien zum Beispiel müsste seine Preise dann immer noch um etwa 22 bis 24 Prozent gegenüber dem Durchschnitt des um Deutschland verringerten Rest-Euro-Gebiets verringern. So gesehen kommen die Krisenländer in einem Währungsver-bund mit anderen Ländern um eine Rosskur ohnehin nicht herum.
Es wäre im Übrigen auch politisch ein großer Fehler, wenn Deutschland aus dem Euro austräte, denn dann würde der Rhein als Grenze zwischen Frankreich und Deutschland wieder neu befestigt. Die deutsch-französische Aussöhnung, das große Projekt der Nachkriegszeit, wäre gefährdet. So bleibt also nur ein Kurs der knappen Budgetbeschränkungen für die Eurozone, so unangenehm er für manche Länder ist. Nach Jahren lockeren Kreditgeldes muss der Weg zum Boden der Wirklichkeit zurück gefunden werden. Wenn ein Land pleite ist, dann muss es seinen Gläubigern erklären, dass es die Kredite nicht mehr zurückzahlen kann. Spekulanten sollten sich daran gewöhnen, dass sie für die Konsequenzen von Fehlentscheidungen einstehen müssen.
Hans-Werner Sinn
Professor für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft
Präsident des ifo Instituts
Erschienen unter dem Titel “Spiel mit dem Feuer”, Handelsblatt, Nr. 80, 25. April 2013, S. 64; sowie unter dem Titel “Should Germany Exit the Euro?”, bei Project Syndicate.