ifo Standpunkt Nr. 7: Öffnungsklauseln

Autor/en
Hans-Werner Sinn
München, 22.11.1999

In Deutschland werden auf überbetrieblicher Ebene Flächentarifverträge vereinbart. Die spezifischen Bedingungen, denen ein einzelnes Unternehmen im Wettbewerb ausgesetzt ist, können dabei nicht berücksichtigt werden, und dennoch sind die Vereinbarungen bindend. Gemäß §77,3 BetrVG ist es nicht einmal den tariflich ungebundenen Firmen erlaubt, von den durch Tarifvertrag üblicherweise geregelten Arbeitsbedingungen durch Betriebvereinbarungen abzuweichen. Der Flächentarifvertrag sollte durch betriebliche Öffnungsklauseln gelockert werden, denn wenn sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer im Interesse des Erhalts ihrer Firma niedrigere Löhne wünschen, als sie im Tarifvertrag vereinbart wurden, dann sollte sich dieser Wunsch auch durchsetzen können.

Es muß erstaunen, daß gerade die Gewerkschaften gegenüber betrieblichen Öffnungsklauseln kritisch eingestellt sind, denn im Gegensatz zu einer gängigen Vermutung profitiert die Arbeitnehmerschaft von ihnen. Kurzfristig, bei gegebenem Tariflohnniveau, bewirkt die Öffnung den Erhalt von Arbeitsplätzen, die sonst verschwunden wären, und erhöht somit die Lohnsumme. Langfristig, wenn die Möglichkeit einer Neuverhandlung der Tariflöhne mit einbezogen wird, verstärkt sich der für die Arbeitnehmer positive Effekt nur noch. Die Gewerkschaften müssen ihre Lohnpolitik nämlich nicht mehr wie bislang an den schwächsten Betrieben ausrichten, sondern können sich an dem orientieren, was die besseren Betriebe verkraften können. Die anderen Betriebe können dann ja von den Öffnungsklauseln Gebrauch machen und niedrigere Löhne vereinbaren. Wenn sich eine Seite der Tarifparteien gegen die Öffnungsklauseln wenden sollte, so sind es wohl eher die Arbeitgeber als die Arbeitnehmer. Die öffentlichen Stellungnahmen der Tarifparteien zu dem Thema werden dem wahren Sachverhalt nicht gerecht.

Aber wie dem auch sei: Die Lohndifferenzierung, wie sie durch die Öffnungsklauseln bewirkt wird, kann zusätzliche Arbeitsplätze schaffen, die sonst nicht rentabel gewesen wären. Daß sie mit einer Verschiebung der Verteilungsrelationen zu Lasten der Arbeitgeber und zugunsten der Arbeitnehmer einhergeht, ändert nichts daran, daß sie die für alle zusammen verfügbare Verteilungsmasse vergrößern wird. Die Öffnungsklauseln sollten Teil des Bündnisses für Arbeit werden.

Hans-Werner Sinn
Präsident des ifo Instituts