WirtschaftsWoche, 22.01.2016, S. 35.
Der unkontrollierte Zuzug von Asylbewerbern überfordert unsere Integrationskraft, provoziert neue Verteilungskämpfe - und fördert eine Wildwestgesellschaft.
Kein Thema erregt die Deutschen derzeit mehr als die Flüchtlingskrise. Die Politik verharrt in einer Schockstarre und hat ihre ökonomische und rechtliche Orientierung verloren. Die Debatte prägen populäre, aber falsche Argumente - und behindern eine Lösung der Probleme. Die größten Denkfehler sind:
1. Deutschland kann seine Grenze von 6000 Kilometern schon aus technischen Gründen nicht schützen.
Dieses Argument ist falsch, weil Deutschland in Relation zu seiner Größe und Bevölkerung extrem kurze Grenzen hat. So entfallen auf einen Bundesbürger gerade einmal 7,4 cm an Grenzlinie. Demgegenüber entfallen auf einen Bürger in Dänemark 130 cm, in Schweden 56 cm, in Slowenien 67 cm und in Ungarn 22 cm. Wenn diese Länder ihre Grenzen schützen können, kann es Deutschland allemal.
2. Die Türkei und der Libanon übernehmen doch noch viel höhere Lasten für die Unterbringung der Flüchtlinge als Deutschland.
Das Argument übersieht, dass die beiden Staaten als Nachbarländer gemäß Genfer Flüchtlingskonvention die Pflicht haben, die Flüchtlinge aufzunehmen. Es handelt sich bei diesen Ländern auch nicht um Sozialstaaten, die den Flüchtlingen ähnliche Leistungen zukommen lassen wie Deutschland.
3. Deutschland kann Asylsuchende nicht abweisen, weil sie durch das Grundgesetz geschützt sind.
Dieses Argument ist falsch, wenn die Einreise nach Deutschland auf dem Landweg erfolgt. Denn dann führt sie über einen sicheren Drittstaat. Dass solche Flüchtlinge hier kein Asyl beantragen können, regelt das Grundgesetz eindeutig und ist vom Verfassungsgericht anerkannt. Das Asylverfahrensgesetz schreibt den Behörden vor, Asylsuchende, die über sichere Drittländer kommen, ohne Aufnahme eines Asylverfahrens zurückzuweisen. Die Bundesregierung hat diese Vorschrift per Ausnahmeregelung außer Kraft gesetzt.
4. Offene Grenzen sind das Kennzeichen einer freien Gesellschaft.
Dieses Argument ist falsch, denn der Staat ist Treuhänder von Klubgütern wie der freien Natur, der öffentlichen Infrastruktur sowie des staatlichen Versicherungsschutzes im weiteren Sinne, wie er durch die sozialstaatliche Umverteilung erfolgt. Ein freies und friedliches Zusammenleben der Völker setzt den Schutz des nationalen Eigentumsrechts an diesen Klubgütern voraus, so wie der rechtliche und physische Schutz des Privateigentums die Grundvoraussetzung für ein freiheitliches Gemeinwesen ist. Ohne die Garantie des Eigentums entsteht eine Wildwestgesellschaft, die den friedlichen Tausch von Ressourcen durch Raubzüge ersetzt und in der sich die Anreize der Menschen von produktiven zu destruktiven Verhaltensweisen verändern. Das gilt zwar zunächst nur für das Privateigentum, doch auch beim staatlichen Klubeigentum treten ähnliche Gefährdungslagen auf.
5. Deutschland kann alle, die zu uns kommen wollen, integrieren.
Deutschland kann das nicht schaffen, weil die Zahl der Bedürftigen, die gerne vom deutschen Sozialstaat unterstützt werden würden, zu groß ist. Allein in den muslimischen Ländern des Mittelmeerraums (ohne Türkei und Albanien) sowie im Irak und Afghanistan leben 267 Millionen Menschen. Selbst wenn nur ein kleiner Teil davon wanderungswillig wäre, kämen mehr, als Deutschland je verkraften kann. Der jährliche Geburtenüberschuss dieser Länder liegt bei knapp sechs Millionen Menschen. Rechnet man die afrikanischen Herkunftsländer südlich der Sahara sowie die Türkei hinzu, kommt ein schier unermessliches Wanderungspotenzial zustande.
6. Man muss die Herkunftsländer der Migranten so unterstützen, dass kein Wanderungsanreiz mehr besteht.
Dieses Argument negiert die nationalen Rechte am öffentlichen Vermögen der Bundesrepublik Deutschland. Analog könnte man auch argumentieren, dass ich einer fremden Person, die in meinem Haus wohnen will, so viel Geld geben müsse, bis sie freiwillig darauf verzichtet. Das ist eine im Kern kommunistische Position, die Eigentumsrechte missachtet. Natürlich ist es richtig, in Not geratenen Nachbarn zu helfen. Humanitäre Gründe sprechen dafür, syrische Kriegsflüchtlinge in der Nähe ihrer Heimat zu unterstützen und Hilfe zur Überwindung des Chaos in den arabischen Ländern zu leisten. Doch gibt es keinen Rechtsanspruch auf Hilfe und keinen Anspruch, sich die Hilfe selbst abzuholen, wenn sie nicht freiwillig geleistet wird.