Wirtschaftsexperte Hans-Werner Sinn an der Jade Hochschule über Herausforderungen
"Das Klima kann man nicht schützen, ohne bindende weltweite Abkommen zu schließen und zu kontrollieren." Das war das Fazit von Prof. Dr. Hans-Werner Sinn bei seinem großen Referat über "sechs große Probleme der Energiewende" im großen Hörsaal der Jade Hochschule.
Europas einseitiges Handeln bei der Klimapolitik werde der Wettbewerbsfähigkeit seiner Industrien schaden. Deutschlands Automobilindustrie sei schon schwer herzkrank.
Sinn redete der Kernkraft das Wort. "Wer im Schwarzwald auf Granitboden ist 20mal mehr Strahlung ausgesetzt als am Zaun eines Atomkraftwerks - und auch Kohlekraftwerke strahlen." Selbst Solarpaneele führten zu mehr Toten als Atomkraft, weil ab und zu ein Klempner vom Dach falle.
Zu einer effektiven Klimapolitik gehören laut Sinn neue Atomkraftwerke. Vizekanzler Robert Habeck werde über seinen Schatten springen und die drei verbleibenden deutschen Atomkraftwerke laufen lassen, ist er überzeugt.
Sinn rät indes dazu, Wälder zu kaufen und zu schützen und eine Quellensteuer auf Finanzinvestitionen sowie sicherei Eigentumsrechte für Ressourcen im Boden einzuführen, um gerade bei den Ölförderern den Appetit auf Schweizer Bankkonten zu verringern.
Deutschland sei weltweit Nummer zwei der Braunkohleförderer, um dem Preisverfall zuvor zu kommen. Dies sei das "grüne Paradoxon", dass man vor dem Kohleausstieg noch möglichst viel Braunkohle verkaufen wolle. Gleiches gelte für Erdöl. In seinem gleichnamigen Buch habe er bereits 2008 ein "Super-Kyoto" verlangt, denn "ohne China und Indien geht es nicht". Diese beiden Länder zählten zu jenen 130 Unterzeichnern des Pariser Abkommens, die sich nicht zur verbindlichen quantitativen Emissionsbeschränkung entschlossen.
In Deutschland führe die Kombination aus Moral und Technik die Debatte. "Bloßer technischer Aktionismus führt zu nichts". Nach Dänemark sei Deutschland in Europa auf Platz zwei der privaten Stromkosten. Zugleich gab es 2020 308 Stunden mit negativen Strompreisen."Das heißt, es musste von Nachbarländern die Dienstleistung eingekauft werden, unseren Stromschrott abzunehmen, der unser Netz überlastet hätte."
Wasserstoff sei zwar ein unbegrenzter Speicher für "überschießende Spitzen", aber enorm kostspielig. Wind- und Sonnenstrom seien nicht immer verfügbar. Dunkelflauten rissen Lücken, die konventionelle, regelbare Anlagen füllen müssten, "auch die schmutzigen". Ohne französische Kernenergie, die kräftig mit Steuermitteln subventioniert werde, gebe es keine Energiewende. Denn auch grüner Wasserstoff stamme aus französischen Elektrolyseuren.
"23 Jahre sind ein Klacks, je älter man wird, umso kürzer. In dieser Zeit bis 2045 CO2-neutral zu werden, ist ein überzogenes, utopisches Ziel, das zu einer politischen Gegenbewegung führen wird, die die grüne Bewegung beiseiteschiebt", mahnte Sinn.