Frankfurter Neue Presse, 19.03.2016, S. 2.
Deutschland hätte sich bei der Brexit-Diskussion „im wohlverstandenen Eigeninteresse“ auf die Seite der Briten schlagen sollen, sagt Ökonom Hans-Werner Sinn.
Herr Professor Sinn, neben der Flüchtlingskrise beherrschte in jüngster Zeit der von Großbritannien angedrohte Brexit die EU-Politik. Glauben Sie, dass sich die Briten für einen EU-Austritt entscheiden?
HANS-WERNER SINN: Nein. Wie häufig bei solchen Referenden sieht es vorher so aus, als stünden die Dinge spitz auf Knopf, doch kriegen die Leute dann Angst vor dem Risiko und stimmen für den Verbleib im bisherigen Staatenverbund. So war es bei den kanadischen Referenden oder auch beim schottischen Referendum.
Welche Folgen hätte ein Brexit für die Briten?
SINN: Der Brexit würde zur Isolierung der City führen und das englische Geschäftsmodell beschädigen.
Könnte „Great Britain“ ohne Europa ökonomisch überleben?
SINN: Überleben könnte Großbritannien schon, nur mit kleinerem Lebensstandard. Europa käme ohne die Briten nicht gut zurecht. Wir würden allesamt zum Opfer der französischen Planification, und speziell wir Deutschen müssten sehr viel Geld für einen europäischen Finanzausgleich und die Vergemeinschaftung der Schulden Südeuropas auf den Tisch legen.
Was würde aus Sicht der Briten für einen Brexit sprechen?
SINN: Die Befreiung von unsinnigen Diktaten der EU und die Abwehr von einer Armutsmigration.
Welche Zugeständnisse sollte die EU den Briten noch machen, damit diese Europa erhalten bleiben?
SINN: Das meiste von dem, was die Briten allgemein an Strukturveränderungen für die EU wollen, ist sinnvoll. Hier hätte sich Deutschland im wohlverstandenen Eigeninteresse auf die Seite der Briten schlagen sollen. Britische Extrawürste hätte ich indes nicht bezahlt.
Interview: Dieter Hintermeier.