Der scheidende Chef des Münchener ifo Instituts, Hans-Werner Sinn, hat vor einer Bankenkrise in Italien gewarnt. Den Anstieg der Salden des Zahlungssystems Target2 interpretiert er als Anzeichen einer Kapitalflucht nach Deutschland.
„Die Kapitalflucht geht einfach weiter, wegen der Konkurse der Banken, die dort stattfinden“, sagte Sinn bei der seiner Abschiedsvorlesung in der Ludwigs-Maximilians-Universität (LMU) München. Zwar handele es sich nur um kleine Banken, „aber immerhin“. Sinn sprach von einer „angehenden Bankenkrise“.
In Italien sind vier Regionalbanken zusammengebrochen, weshalb Aktionäre und Inhaber nachrangiger Bankanleihen ihr angelegtes Geld verlieren, knapp 1 Milliarde Euro. Italiens Banken haben sich mit Nachranganleihen schätzungsweise 60 Milliarden Euro nachrangiges Kapital besorgt.
In der Bilanz der Banca d'Italia ist der Posten der „Intra-Eurosystem-Verbindlichkeiten“ zwischen Mai und November von 164 auf 230 Milliarden Euro gestiegen. Darunter fallen die Verbindlichkeiten gegenüber der Europäischen Zentralbank (EZB) im Rahmen des
Großbetragszahlungssystems Target2.
Hans-Werner Sinn geht offenbar davon aus, dass die Italiener ihr Geld aus Angst vor weiteren Bankpleiten verstärkt außer Landes bringen. „Target ist letztlich Kapitalflucht“, sagte er. Die Deutsche Bundesbank baut dagegen wieder zunehmend höhere Target2-Forderungen gegenüber der EZB auf. Dieser Posten hat seit Mai von 526 auf 563 Milliarden Euro zugelegt.
Sinn hat die Target2-Salden zwar nicht selbst entdeckt, aber in die wirtschaftspolitische Debatte eingeführt. Kritiker seiner Kapitalflucht-These weisen darauf hin, dass die Risiken aus dem Target2-System nur in dem Fall eintreten, dass alle Schuldner aus dem Euro austreten und ihre Verbindlichkeiten nicht begleichen.
Laut Sinn hat Deutschland gegenüber Griechenland, Irland, Spanien, Portugal, Zypern und Italien gegenwärtig Haftungsrisiken von 260 Milliarden Euro. Davon stammen 217 Milliarden Euro von Target2.
Hans-Werner Sinn arbeitet seit 1984 als Professor für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft an der LMU und leitet seit 1999 das ifo Institut. Im März 2016 geht Sinn in den Ruhestand.
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