WirtschaftsWoche, 27. Juli 2018.
Für 2,4 Billionen Euro hat die Europäische Zentralbank (EZB) Wertpapiere im Rahmen ihres Quantitative Easing (QE) erworben. Das umstrittene Programm beschäftigt gegenwärtig nicht nur den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg - sondern nun auch Donald Trump. Der amerikanische Präsident beschuldigt die EZB, den Wechselkurs des Euro zu manipulieren und damit den Dollar nach oben zu treiben. Mit dieser Attacke hat Trump eine neue Front im Handelskrieg zwischen Europa und den USA eröffnet, und dies nicht ohne politische Hintergedanken: Nach den Gesetzen der USA fällt es dem Präsidenten bei Handelssanktionen leichter, den Kongress zu umgehen, wenn er diese als Reaktion auf eine Währungsmanipulation anderer Länder darstellen kann.
Beim Thema Wechselkurse kann Trump Europa ernsthaft in Verlegenheit bringen. Die Währungsmanipulation durch das QE-Programm ist offenkundig, es führte zur Abwertung des Euro gegenüber anderen Währungen der Welt. Zum einen lag ein Teil der angekauften Wertpapiere im Ausland. Die Euro-Zone bot also Euro auf den Devisenmärkten an, um ausländische Währung zu erwerben und damit die Papiere zurückzukaufen. Zum anderen versuchten Anleger aus der Währungsunion, das ihnen über Wertpapierkäufe zufließende Geld in anderen Währungsgebieten anzulegen; auch dies drückte den Euro-Kurs.
Flankiert wird das Ganze durch die anhaltende Nullzinspolitik der EZB, die den Euro ebenfalls tendenziell verbilligt. Dessen Kurs fiel vom ersten Halbjahr 2014 binnen Jahresfrist um 20 Prozent und liegt seitdem trotz eines kleinen Zwischenhochs 2017 noch immer weit unter der von der OECD ermittelten Kaufkraftparität von 1,29 Dollar pro Euro. Im Juni 2018 lag der Kurs bei 1,17 Dollar. Dieser Wert liegt neun Prozent unter der Kaufkraftparität.
Die Vertreter der EU versuchen Trump mit dem Hinweis zu beschwichtigen, dass die EZB unabhängig sei und sie gar nicht die Möglichkeit hätten, die Noten bank zu einer anderen Währungspolitik zu veranlassen - selbst wenn man es wollte. Trump wird darüber herzlich lachen. Und er lacht zu Recht.
Denn die EZB darf überhaupt keine Wechselkurspolitik betreiben. Sie kann nur innerhalb ihres Mandats agieren. Die Wechselkurspolitik gehört aus gutem Grunde nicht dazu, eben weil internationale Verwicklungen drohen, wenn man die eigene Wirtschaft zulasten anderer Länder zu stimulieren versucht. Das weiß die EZB auch. Zwar war klar, dass das QE-Programm der europäischen Wirtschaft über Abwertungen einen Wettbewerbsvorteil verschaffen sollte. Nur vermied es die EZB tunlichst, die Abwertung des Euro als Begründung für ihre Politik anzugeben.
Jetzt zeigt sich, was passiert, wenn die Politik die EZB gewähren lässt. Die Notenbank verstößt nicht nur gegen Artikel 123 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Dieser schließt eine Monetisierung von Staatsschulden aus, was das Bundesverfassungsgericht im Sommer 2017 mit Blick auf das QE-Programm zu einem gepfefferten Vorlagenbeschluss für den EuGH veranlasst hat. Zudem betreibt die EZB in ihrer selbstherrlichen Art eine Wirtschaftspolitik, die geeignet ist, internationale Verwicklungen zu provozieren, und in letzter Konsequenz zu herben Verlusten für die deutsche Exportindustrie führen kann. In den Dreißigerjahren des 20. Jahrhunderts hatten sich die Länder der Welt schon einmal durch Abwertungen Vorteile zu verschaffen versucht. Diese "Beggar-thy-neighbour"-Politik hatte zu den Spannungen jener Zeit erheblich beigetragen.
EZB-Strukturreform notwendig
Es ist deshalb an der Zeit, dieser verantwortungslosen, weil an Einzelinteressen ausgerichteten Politik der EZB ein Ende zu bereiten. So muss das QE-Programm nicht nur beendet, sondern auch rückabgewickelt werden. In den USA hat dieser Prozess längst begonnen. Doch die EZB denkt bislang nur darüber nach, die Ausweitung ihrer Wertpapierbestände zu beenden. Wenn Papiere fällig werden, will sie sogleich neu emittierte Papiere kaufen, anstatt die Gelegenheit zu nutzen, den Bestand zu verringern.
Die Rückabwicklung des QE-Programms reicht aber nicht aus. Vielmehr muss die gesamte Konstruktion der EZB reformiert werden. Dazu gehört erstens eine Vergabe der Stimmrechte je nach der Haftung der Länder. Zweitens müssen die Target-Salden zwischen den Euro-Ländern getilgt werden, damit sich der Zugang zu den lokalen Euro-Druckerpressen verteuert. Deutschland kann sich im Verrechnungssystem der Notenbanken nicht länger als Selbstbedienungsladen präsentieren, in dem man beliebig anschreiben lassen kann, ohne je bezahlen zu müssen.
Europa braucht wieder eine Geldpolitik, wie sie einst die Bundesbank betrieben hat. Eine Geldpolitik, die sich an ihr Mandat hält - und die Unabhängigkeit nicht ausnutzt, um eine demokratisch nicht kontrollierte Wirtschaftspolitik zu betreiben, deren Wirkungen weit über das hinausgehen, was die im EZB-Rat versammelten Technokraten verantworten können.
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