Mobil in Deutschland Magazin, 7. November 2020.
Prof. Dr. Hans-Werner Sinn ist einer der bekanntesten Wirtschaftsforscher in Deutschland und war langjähriger Präsident des ifo-Instituts. Dr. Michael Haberland, Präsident des Automobilclubs Mobil in Deutschland e.V., hat die deutsche „Koryphäe der Volkswirtschaftslehre“ in München getroffen und aktuelle Fragen zu Auto, Mobilität und Politik gestellt.
Dr. Michael Haberland: Was war Ihr erstes Auto?
Prof. Dr. Hans-Werner Sinn: Das war ein VW-Bus, den ich für 300 Mark als 18-Jähriger gekauft und dann repariert habe. Mit dem bin ich dann bis zum Nordkap gefahren.
Was bedeutet für Sie Mobilität?
Freiheit. Aber auch Bequemlichkeit und Sicherheit. Ich nutze nicht so gerne Massenverkehrsmittel, sondern sitze lieber im Auto.
Welchen Stellenwert hat die deutsche Autoindustrie insgesamt in Deutschland?
Die Autoindustrie ist die Schlüsselindustrie für das verarbeitende Gewerbe. Es ist eine Art glühender Kern, um den sich alles rankt und an dem der Rest der Wirtschaft, der gesamte Dienstleistungssektor und auch der Staat sich quasi erwärmt. Das ist im Übrigen ein Bild, das Gabor Steingart einmal benutzt hat. Ich finde, das trifft es ganz gut.
Was passiert, wenn Teile dieser Industrie wegbrechen?
Es hängt viel an unserer Autoindustrie. Wir sprechen hier von über einer Million Arbeitsplätze, die direkt betroffen wären. Zudem hätte das auch massive Auswirkungen auf den Rest der Wirtschaft. Das Wegbrechen dieser Industrie wäre also fatal. Deutschland ist eben speziell in der metallverarbeitenden Industrie stark. Ein Dieselmotor besteht aus 4.000 Teilen. Da gibt es Legierungen mit speziellen Eigenschaften, die keiner nachbauen kann. Das war und ist eine deutsche Domäne, die im Moment geschliffen wird. Durch den Hang zum Elektroauto, der nicht von den Verbrauchern ausgeht, sondern von der Politik oktroyiert ist.
Was muss die Autobranche lernen? Was hat sie falsch gemacht?
Sie hat geschummelt. Die Autoindustrie ist in die Falle getappt, die die amerikanische Umweltbehörde ihr gestellt hat. Nur was hat diese moralische Verwerfung mit der Industriestruktur und der zukünftigen Entwicklung unseres Landes zu tun? Gar nichts. Und es ist vollkommen verfehlt, hier moralisierend zu argumentieren, wenn es um Millionen von Arbeitsplätzen geht.
Die Grünen wollen fliegen verbieten, das Fleischessen untersagen und die Autos gleich mitabschaffen. Ist so eine Partei ein veritabler Partner für eine Regierung?
Ich finde diesen Ansatz unerträglich. Wir sind eine Gesellschaft freier Menschen, die sich frei entscheiden möchten. Wir möchten keine Vorschriften, was wir tun dürfen. Natürlich löst der Markt das Umweltthema nicht, da bedarf es einer entsprechenden Politik. Das wäre dann ein Emissionshandel mit einem einheitlichen CO2-Preis, bei dem jeder sich anstrengen könnte, seine Emissionen zu reduzieren. Aber dieses Oktroyieren von Verhaltensweisen ist doch hirnrissig. Das ist eine Gesinnungsdiktatur, die nicht sachdienlich ist und durch das Problem nicht gerechtfertigt wird. Dadurch entsteht ein neuer zentralplanerischer Sozialismus. Manchmal gebären sich die Grünen tatsächlich so, als wären sie Sozialisten, nur mit einem grünen Anstrich.
Wie steht es um die Zukunft des deutschen Automobils?
Schlecht. Machen wir uns nichts vor: Wir sind gerade dabei unsere Automobilindustrie zu ruinieren und damit eben auch das Herzstück der deutschen Wirtschaft. Diese dirigistischen
Vorgaben, dass man Verbrenner kaum noch kaufen darf – denn das bedeutet ja die CO2-Verordnung – machen die deutsche Autoindustrie kaputt. Und dahinter steckt nach meiner festen Überzeugung ein industriepolitisches Interesse.
Was halten Sie von einem Tempolimit auf deutschen Autobahnen?
Wenn es das richtige Tempolimit ist, meinetwegen. Heute sind die Autos so viel besser als früher. Man könnte zwar ein Tempolimit machen, das müsste aber ziemlich hoch liegen. Und was da einige vor Augen haben mit 130 km/h, das finde ich nicht in Ordnung. Wenn man diese Diskussion aber beginnt, setzen sich am Ende die grünen Weltverbesserer und die Moralisten durch. Die verleiden einem das Autofahren so lange, bis es keinen Spaß mehr macht und das Auto nutzlos geworden ist. Das kann es ja auch nicht sein.
Was würden Sie den Bossen der deutschen Automobilhersteller auf den Weg geben?
Passt Euch nicht nur an. Gewinnmaximierung ist nicht genug, Ihr habt auch eine gesellschaftliche Verantwortung, um diesen Diskurs, über das, was die Politik macht, mitzugestalten. Es laufen mir viel zu viele Bosse dem Trend hinterher und versuchen jetzt mit den Grünen und Co. anzubandeln, damit sie in der neuen grünen Welt ihr Geschäft machen. So geht es nicht.
Nachzulesen auf www.mobil.org.
Das ganze Interview ist außerdem als Youtube-Video zu sehen: