Akademie Aktuell, 1. Oktober 2011, Nr. 3/2011, S. 12-17.
Europa steckt in einer Zahlungsbilanzkrise. Das Kapital verweigert sich den Ländern der Peripherie, die Regierungschefs schnüren immer größere Rettungspakete, und die Parlamente der stärkeren Euroländer folgen nur mit wachsendem Widerwillen. Die deutsche Bevölkerung ist zunehmend irritiert von dem Geschehen. Die einen warnen vor immer größeren Verpflichtungen, die anderen behaupten, Deutschland sei der Hauptprofiteur des Euro und müsse sich deshalb erkenntlich zeigen. Was ist der Sachverhalt?
Um zu verstehen, was geschehen ist, muss man die internationalen Kapitalströme in den Blick nehmen, denn sie haben unter dem Euro exzessive Ausmaße erreicht. Dabei sind drei Phasen zu unterscheiden: In der ersten Phase floss das private Kapital im Übermaß aus Deutschland in die Peripherie und brachte sie zum Erblühen. In der zweiten Phase, die mit der Finanzkrise einsetzte, verweigerte es sich, und die europäische Zentralbank half mit der Druckerpresse aus, was, wie noch zu erläutern ist, ein erzwungener Kapitalexport der Bundesbank war. In der dritten Phase, die gerade begonnen hat, werden öffentliche Kapitalströme über die Rettungspakete aktiviert. Dieser Beitrag erläutert die drei Entwicklungsphasen.
Privates Kapital fließt im Wesentlichen als Kredit über das Bankenund Versicherungssystem, in Form des Kaufs ausländischer Vermögensobjekte und auch als Direktinvestition, also als Erwerb ausländischen Realvermögens. Öffentliches Kapital kann als zwischenstaatlicher Kredit fließen, floss aber tatsächlich vor allem durch die Verlagerung des Bestandes der Geldschöpfungskredite im gemeinsamen Zentralbankensystem.
In seiner Gesamtheit wird der Kapitalexport eines Landes aus der Ersparnis dieses Landes gespeist. Die Ersparnis ist jener Teil der Einkommen, der nicht von Privatleuten oder vom Staat konsumiert wird. Sie kann für reale inländische Investitionen oder für den Kapitalexport eingesetzt werden. Normalerweise absorbiert die inländische Investition den Löwenanteil der Ersparnis. Doch in Deutschland war es anders: Dort floss seit der Einführung des Euro der größere Teil der Ersparnis ins Ausland, wie Abb. 1 zeigt.
Die gesamte Ersparnis der privaten Haushalte, der Unternehmen und des Staates (der leider negativ in die Rechnung einging) betrug seit der Einführung des Euro 1.626 Mrd. Euro. So viel Geld stand für Nettoinvestitionen in Deutschland zur Verfügung. Man hätte davon Fabriken, Schulen, Brücken, Straßen, Wohnhäuser, Bürogebäude u. v. m. bauen können. Aber es wurden nur 554 Mrd. Euro zu Hause investiert, gerade einmal ein Drittel. Zwei Drittel der Ersparnis, oder 1071 Mrd. Euro, flossen stattdessen ins Ausland. Das waren umgerechnet Finanzmittel für etwa 357 Transrapidstrecken vom Flughafen Franz Josef Strauß in die Münchner Innenstadt.
Von diesen Kapitalexporten waren nur 227 Mrd. Euro Nettodirektinvestitionen. Die Investitionen von Audi im ungarischen Györ gehörten dazu genauso wie, auf der negativen Seite der Rechnung, die Investitionen der Private Equity Fonds in den deutschen Mittelstand.
470 Mrd. Euro, also knapp die Hälfte des Kapitals, flossen als Finanzkapital netto ins Ausland. Die Deutschen trugen ihre Ersparnisse zur Bank oder Versicherung, und diese Institutionen investierten sie in Finanzpapiere anderer Länder. Dazu gehörten viele sinnvolle Anlagen, doch leider auch Papiere, die in der Retrospektive weniger ertragreich waren, als es schien – wie griechische Staatsanleihen, Lehman Brothers-Zertifikate oder Schuldverschreibungen der spanischen Sparkassen. Zu einem kleinen Teil sind auch öffentliche Kredite wie Hermes-Bürgschaften, Entwicklungshilfekredite und auch die ersten Hilfskredite der Bundesrepublik Deutschland an Griechenland enthalten. Die Hilfskredite, die direkt von der Bundesrepublik gewährt wurden, betrugen bis Dezember 2010 nur 6 Mrd. Euro. Der Löwenanteil der Kredite wird von der neu geschaffenen Luxemburger Zweckgesellschaft vergeben und von Deutschland gemäß den EZB-Kapitalanteilen verbürgt. Die Bürgschaften werden nicht als Kapitalexporte behandelt.
Bemerkenswert ist, dass 356 Mrd., also etwa 119 Transrapidstrecken, über die Bundesbank als sog. Target-Kredit an andere Länder des Euroraums flossen, vornehmlich in die sog. GIPS-Länder, also Griechenland, Irland, Portugal und Spanien. Die Kreditaufnahme dieser Länder über das Eurosystem betrug von 2002 bis 2010 etwa 350 Mrd. Euro.
Das sind die Fakten. Die Frage ist, wie es zu diesen Kapitalbewegungen kam.
1. Phase: Der Euro und die Zinskonvergenz
Der Beginn der ersten Phase ist durch eine Zinskonvergenz im Euroraum gekennzeichnet, die in den Jahren von 1995 bis 1997 vonstattenging. Dies zeigt Abb. 3 exemplarisch für Staatspapiere mit zehnjähriger Laufzeit. Damals war der Euro schon fest angekündigt worden, und es war klar, dass die Wechselkurse zum 3. Mai 1998 unverrückbar festgelegt werden würden. Mit jedem Tag der Annäherung an dieses Datum schwand in den südlichen Ländern das Abwertungsrisiko, und deshalb sank auch die Risikoprämie im Zins. Griechenland kam später dazu. Nachdem es sich mit gefälschten Budgetziffern 1999 das Beitrittsticket erschwindelt hatte, wurde das Land 2001 in die Eurozone aufgenommen. Man sieht in der Abbildung, dass auch die Annäherung an dieses Datum die Zinskonvergenz bewirkte.
Die niedrigen Zinsen setzten in den Staaten der europäischen Peripherie einen kreditfinanzierten Boom in Gang, der sich dort zunächst segensreich auswirkte: Die Privatleute nutzten das billige Geld, um zu bauen. Das verschaffte den Bauarbeitern Beschäftigung und hohe Löhne. In Spanien und Irland wurde sogar eine gewaltige Immigrationswelle ausgelöst. Die Staaten nutzten den billigen Kredit, um die Gehälter der Staatsbediensteten zu erhöhen und auch sonst mehr Geld auszugeben. Überall begann die Wirtschaft rasch zu wachsen. Das Wachstum war durchaus real, aber zusätzlich hatte es eine starke inflationäre Komponente. Die Löhne und Preise stiegen so weit, dass die Wettbewerbsfähigkeit der peripheren Länder erlahmte. Das dämpfte die Exporte, während die Importe mit den nominal wachsenden Einkommen anzogen. Mehr und mehr privates Kapital floss in die Länder und finanzierte das Leistungsbilanzdefizit, hinter dem allzu häufig nicht reale Investitionen, sondern neuer Konsum zur Erhöhung des Lebensstandards stand. Noch 2010 hatte Griechenland trotz angeblicher Sparprogramme ein Leistungsbilanzdefizit von 10,5 % des Bruttoinlandsprodukts, und sein gesamtwirtschaftlicher Konsum lag um 17 % über dem Nettonationaleinkommen.
Das Kapital kam großteils aus Deutschland, das seit 2002 einen wachsenden Leistungsbilanzüberschuss erzielte und nach China zum zweitgrößten Kapitalexporteur der Welt wurde. Der deutsche Überschuss resultierte aus der Flaute, die das abfließende Kapital erzeugte. Überall schien damals das Gold heller zu glänzen als in Deutschland, ob in den USA, in Osteuropa oder in den Ländern der Peripherie des Euroraums. Schon kleine Zinsunterschiede veranlassten die Kapitalanleger, das bei den deutschen Sparern eingesammelte Kapital im Ausland anzulegen, und das nicht nur in der europäischen Peripherie. Die leichtfertig vergebenen AAA-Ratings der amerikanischen Investmentbanken trugen genauso zum Kapitalexport bei wie der Umstand, dass die Bankenregulierung nach dem Basel- System die Staatspapiere der südlichen Länder zu sicheren Anlagen deklarierte und deshalb von den Banken keine Eigenkapitalunterlegung verlangte. Die Banken und Versicherungen sogen sich mit den Staatspapieren der peripheren Länder geradezu voll. Auch der Fall des Eisernen Vorhangs, der attraktive Niedriglohnstandorte für deutsche Unternehmen schuf, trug zum Kapitalexport bei. Das alles ging zu Lasten des deutschen Wachstums. Deutschland hatte in dieser Zeit die niedrigste Nettoinvestitionsquote aller OECD-Länder und trug beim Wachstum die rote Laterne. Jedenfalls hatte es meistens entweder die niedrigste oder zweitniedrigste Wachstumsrate aller Länder Europas. Es erlebte, was damals als Standortkrise bezeichnet wurde.
Eine Massenarbeitslosigkeit zwang Deutschland zu den schmerzlichen Reformen der Ära Schröder, mit denen die Lohnkonkurrenz des Sozialstaates abgebaut und eine Lohnspreizung nach unten ermöglicht wurde. Deutschland durchlebte eine wahre Rosskur. Da die Löhne in der Flaute nur noch wenig stiegen, gelang es Deutschland jedoch, seine preisliche Wettbewerbsfähigkeit allmählich zu verbessern. Von 1995 bis 2010 wurde Deutschland relativ zu seinen Handelspartnern handelsgewichtet um 21 % billiger.
Die Preiszurückhaltung belebte die Exporte, und das magere Wachstum hielt die Importe zurück. Als Ergebnis des hinausdrängenden Kapitals und der binnenwirtschaftlichen Flaute entstand ein Außenhandelsüberschuss. Dass dieser Außenhandelsüberschuss von der politischen Klasse Deutschlands als Zeichen der Sondergewinne Deutschlands durch den Euro interpretiert wird, ist eine fast schon tragisch zu nennende Fehlinterpretation des Geschehens, denn auf ihr beruhen die Appelle, das Portemonnaie für die Rettungsschirme nun besonders weit aufzumachen.
2. Phase: Krise und Rettung durch die Europäische Zentralbank
Die Situation änderte sich schlagartig, als die amerikanische Finanzkrise nach Europa überschwappte. Riesige Abschreibungsverluste auf toxische amerikanische Papiere belasteten die europäischen Banken und zwangen sie, ihre Engagements in riskantere Investitionen zurückzunehmen. Dadurch kam es zu einer Kreditklemme in Europa, von der insbesondere die peripheren Länder betroffen waren. Plötzlich war das private Kapital nicht mehr bereit, weiterhin in diese Länder zu fließen und die anhaltenden Außenhandelsdefizite zu finanzieren.
Während die akute Wirtschaftskrise der Jahre 2008 und 2009 alle Länder traf, zeigten sich anschließend fundamentale Unterschiede beim Versuch, ihr zu entkommen: Jene Länder, deren Boom bislang auf Kapitalimporten aufgebaut war, blieben in einer mehr oder weniger starken Krise, aus der sie sich bis zum heutigen Tage nicht haben befreien können. Dazu gehören im Weltmaßstab die USA und Großbritannien und in der Eurozone vor allem die peripheren Länder, doch mit Einschränkung auch Frankreich und Italien. Demgegenüber florierte Deutschland nach der Krise. 2010 hatte es mit 3,6 % das stärkste Wirtschaftswachstum unter den großen Ländern der Eurozone.
Dieses Wachstum war nicht in erster Linie vom Außenhandel getragen, wie immer wieder behauptet wird, sondern vor allem von einer überaus kräftigen Investitionskonjunktur auf dem deutschen Binnenmarkt. Der Grund dafür war einfach, dass sich das Investitionskapital nicht mehr aus Deutschland hinaus traute und sich deshalb zu Hause mit extrem niedrigen Zinsen begnügte. Man sieht das sehr deutlich an Abb. 3. Die in der Krise wachsende Streuung der Zinsen ging nicht nur zu Lasten der hochverschuldeten Länder der Peripherie, sondern entwickelte sich zu einem großen Vorteil für Deutschland. Die Bauzinsen waren 2010 so niedrig wie noch nie zuvor und die Auftragsbestände der Architekten höher als irgendwann sonst während der letzten 15 Jahre.
Die Krise der peripheren Staaten wurde durch die Europäische Zentralbank (EZB) abgemildert, indem sie einen erheblichen Teil des störrischen Kapitals, das sich aus Deutschland nicht mehr hinaus traute, weiterhin in die peripheren Länder zwang. Konkret erlaubte sie es den Notenbanken der peripheren Länder, die Leistungsbilanzdefizite mit der Druckerpresse zu finanzieren und das fliehende private Kapital durch öffentliche Kredite zu ersetzen. Im Falle Portugals und Griechenlands wurde jeweils das gesamte Leistungsbilanzdefizit vollständig finanziert. Bei Irland wurde darüber hinaus eine riesige Kapitalflucht finanziert. Und im Fall Spaniens finanzierte die Notenbank das Leistungsbilanzdefizit zu etwa einem Viertel. Insgesamt hat die EZB in den letzten drei Jahren 88 % des Leistungsbilanzdefizits dieser vier Länder mit der Druckerpresse geschlossen. Das verliehene Geld floss über die Bundesbank in das Überschussland Deutschland zurück, wie auch vorher der private Kredit, den Deutschland diesen Ländern gegeben hatte, zurückgeflossen war. Es verdrängte in Deutschland praktisch eins zu eins die durch Kreditschöpfung entstandene Geldmenge.
Die Bundesbank erhielt zum Ausgleich dafür, dass sie Geld schaffen musste, ohne dass sie dafür einen Kredit in Deutschland vergeben konnte, eine Forderung gegen die Zentralbank (ihre sog. Target-Forderung). Statt das Zentralbankgeld über Refinanzierungskredite der deutschen Wirtschaft zu leihen, verlieh die Bundesbank es auf dem Wege über das EZB-System und abgesichert durch die Gemeinschaft der Euroländer an die Länder der Peripherie. Das lag in der Mechanik des Systems und war keine bewusste Entscheidung. In der Zahlungsbilanzstatistik wird dieser Prozess der Kreditverlagerung korrekterweise als ein durch das Zentralbankensystem fließender öffentlicher Kapitalexport Deutschlands angesehen. Wie Abb. 1 zeigt, handelte es sich dabei um 356 Mrd. Euro, immerhin ein gutes Fünftel der deutschen Ersparnis und ein Drittel der gesamten Kapitalexporte der Bundesrepublik Deutschland seit der Einführung des Euro. Der Löwenanteil dieses Betrages, 308 Mrd. Euro, kam nach dem Ausbruch der Finanzkrise zustande, nämlich seit Mitte 2007, als der Interbankenmarkt das erste Mal kollabiert war.
Es war ähnlich wie zur Zeit des Bretton Woods Systems, als die USA die Welt mit ihrem Geld überschwemmten und die Bundesbank gezwungen war, Geld durch Umtausch von Dollars in D-Mark zu schöpfen, anstatt Kredite an die deutschen Geschäftsbanken zu geben. Auch damals war die Bundesbank zum Kapitalexport gezwungen worden. Im Euroraum schwangen sich die peripheren Länder Europas quasi zu Leitwährungsländern auf, die eine ähnliche Rolle wie damals die USA einnahmen und den Kapitalimport mit der Druckerpresse bewerkstelligten. Das hat den kreditgetriebenen Boom Deutschlands nicht kaputtgemacht, aber es hat die Zinsspreads eine Weile in Schach gehalten und diesen Boom verzögert. Zugleich hat es die Anpassungslasten der peripheren Länder gemildert und die Krise hinausgeschoben, ohne dass sie damit dauerhaft verhindert werden konnte.
Die EZB-Politik war zeitlich begrenzt, weil sie dort an ihre Grenze stößt, wo der Bestand an kreditgeschöpftem Geld in Deutschland zur Neige geht. In den drei Krisenjahren 2008, 2009 und 2010 ging der Bestand an Zentralbankkrediten in Deutschland durchschnittlich um 38 Mrd. Euro zurück, und Ende 2010 lag er noch bei 93 Mrd. Euro. Eine Fortsetzung der Reise hätte also bereits um die Mitte des Jahres 2013 den gesamten Restbestand an Refinanzierungskrediten der Bundesbank eliminiert, was die EZB und die Bundesbank ihres hauptsächlichen Politikinstruments zur Steuerung der größten Volkswirtschaft des Euroraums beraubt hätte. Das war der Grund dafür, dass insbesondere die EZB mit allem Nachdruck darauf drängte, bei ihrer Rettungsaufgabe durch die Rettungssysteme der europäischen Staatengemeinschaft abgelöst zu werden.
3. Phase: Die offenen Rettungsschirme
In der dritten Phase wurden die offiziellen Rettungsschirme aufgespannt. Man begann zunächst provisorisch mit dem Paket für Griechenland sowie dem European Financial Stability Mechanism (EFSM) und der European Financial Stability Facility (EFSF), aus denen die Rettungsmaßnahmen für Irland und Portugal bezahlt wurden. Auch der Internationale Währungsfonds kam jeweils zu Hilfe. Bis Ende Juni 2011 waren bereits 93 Mrd. Euro Rettungsgelder bereitgestellt worden, und 236 Mrd. Euro waren bewilligt. Da absehbar war, dass das Geld bald nicht mehr reichen würde, bereitete man im Frühjahr und Sommer 2011 zudem einen riesigen neuen Rettungsschirm unter dem Namen European Stability Mechanism (ESM) von 700 Mrd. Euro zur Verstetigung der temporären Rettungsschirme vor. Dieser Schirm soll ab 2013 aufgespannt sein.
Die neuen Rettungsaktionen führen in der Regel nicht zu einem öffentlichen Kapitalexport aus Deutschland heraus, weil sich die Rettungsschirme auf dem internationalen Kapitalmarkt refinanzieren. Nur ein Betrag von 8,4 Mrd. Euro ist bislang direkt vom deutschen Staat verliehen worden. Indes garantiert Deutschland die von den Gemeinschaftseinrichtungen aufgenommenen Summen gemäß seinem Kapitalanteil an der EZB, und außerdem werden die deutschen Banken und Versicherungen faktisch doch wieder zu seinen Hauptfinanziers gehören, weil Deutschland eben weit und breit der größte Kapitalexporteur ist.
Mit den Rettungsschirmen stellt Deutschland seine bislang noch überragende Bonität anderen Ländern zur Verfügung und ermöglicht es ihnen, sich den Kredit zu billigeren Konditionen zu verschaffen, als es sonst der Fall wäre. Dabei verschlechtert sich natürlich die deutsche Bonität, was Deutschland zwingen wird, höhere Zinsen zu zahlen.
Im Extremfall, nämlich dann, wenn der Luxemburger Rettungsschirm zu einem System der Eurobonds ausgebaut würde, die allen Eurostaaten die Möglichkeiten verschaffen, sich zu gleichen Zinsen zu verschulden, weil nur die durchschnittliche Bonität zählt, würde der deutsche Zins nach Berechnungen von Kai Carstensen, dem Leiter der Konjunkturabteilung im ifo Institut, um ca. 1,2-%-Punkte über das Niveau hinaus steigen, das er sonst eingenommen hätte. Das bedeutet bei der derzeitigen Staatsschuld eine jährliche Zusatzbelastung bei den Zinsen von etwa 25 Mrd. Euro, genau so viel wie die deutschen Brutto- und etwa doppelt so viel wie die deutschen Nettotransfers an die EU. Außerdem würde es bedeuten, dass das Kapital wieder hemmungslos aus Deutschland in die peripheren Länder fließt, was dort das inflationäre Wachstum erneut in Gang setzen würde, während Deutschland in seine Flaute zurückkehrt.
Der Autor
Prof. Dr. Hans-Werner Sinn hat den Lehrstuhl für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft an der LMU München inne. Er ist Präsident des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung e. V., Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundeswirtschaftsministerium und seit 1996 ordentliches Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.
Nachzulesen auf www.badw.de.