Es geht um mehr Investitionen!

Die Politik muss die Wirtschaft entlasten. Zielgenauer als sinkende Steuersätze sind bessere Abschreibungsregeln. Ein Gastbeitrag.
Hans-Werner Sinn

WirtschaftsWoche, 16. Februar 2024, Nr. 8, S. 39.

Seit Wochen liefern sich Robert Habeck und Christian Lindner einen Wettstreit an Vorschlägen, wie die deutsche Wirtschaft entlastet werden könnte. Finanzminister Lindner will den Soli für Unternehmen abschaffen. Wirtschaftsminister Habeck schlug zunächst ein mit neuen Schulden finanziertes „Sondervermögen“ für Steuersenkungen vor, ruderte dann aber bei der Gegenfinanzierung zurück. Auch verbesserte Abschreibungsregeln stehen in der Diskussion. Mittlerweile hat sich auch CDU-Chef Friedrich Merz eingeschaltet und eine deutliche Senkung der Unternehmensteuern gefordert.

So richtig diese Initiativen im Grundsatz sind, um die durch Energiewende und Fachkräfteverlust gebeutelte Wirtschaft zu beleben: Es gibt ein paar Eckpunkte für eine sinnvolle Steuerreform, die man beachten sollte. Am wichtigsten ist, dass die Politik einen Weg findet, die konsumtiven Ausgaben des Staates zu senken – und nicht etwa Steuern an anderer Stelle erhebt.

Auf keinen Fall kommt nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts eine Schuldenfinanzierung infrage. Zum einen gibt es keinen Notstand, der sie rechtfertigen würde, auch nicht über den Sondervermögenstrick, mit dem die Ampelkoalition bereits einmal auf den Bauch gefallen ist. Dass Deutschland unter den großen Industriestaaten nach zwei Jahrzehnten wieder die rote Laterne beim Wachstum trägt, ist zwar bedauerlich, aber kein Grund für höhere Schulden, auch nicht für gute Zwecke. Das Grundgesetz fordert dafür unvorhergesehene temporäre Notlagen, die eine andere Finanzierung nicht zulassen.

Zum anderen würde eine stärkere Verschuldung inflationär wirken. Die Zeiten freier Produktionskapazitäten, die sich durch Nachfrageschübe aktivieren lassen, sind leider vorläufig vorbei. Es wäre fatal, Facharbeitermangel und Energieknappheit mit Nachfrageschüben kompensieren zu wollen.

Wichtig ist, dass steuerliche Maßnahmen die Unternehmen anregen, mehr real zu investieren. Viele halten ein solches Ergebnis bei einer steuerlichen Entlastung für selbstverständlich. Doch Vorsicht: Ein solches Ergebnis ist nur dann realistisch, wenn die Betriebe kreditbeschränkt sind und nicht genug Eigenkapital haben. Davon kann aber nach den zuletzt fetten Jahren nicht die Rede sein.

Hapert es nicht an Finanzmitteln, ist eine bloße Senkung von Steuersätzen ziemlich wirkungslos, denn sie fördert sowohl die reale Investition als auch die bloße Finanzinvestition am Kapitalmarkt. Letztere kann dann irgendwo auf der Welt zu neuen Investitionen führen, weil sich das neue Kapital auf der ganzen Welt zu verteilen pflegt, obwohl nur die in Deutschland ansässigen Eigentümer von der deutschen Steuersenkung profitieren.

Das Problem ist heute ja, dass viele Unternehmenserben angesichts der verschärften internationalen Wettbewerbslage nur noch wenig Interesse haben, in die Unternehmensleitung einzusteigen. Sie ziehen es allzu häufig vor, den ganzen Laden zu verkaufen, um das Vermögen ihren Fondsmanagern zur Verwaltung zu übergeben: Viessmann lässt grüßen. Solange die Erben ihren Wohnsitz in Deutschland halten, profitieren sie bei Finanzinvestitionen genauso von den Steuersenkungen wie bei den Investitionen, die sie in der Firma vornehmen könnten.

Nachzulesen auf www.wiwo.de.