Angesichts der Verzögerungen bei den Impfungen liegen die Nerven in Europa derzeit blank. Die Europäische Union erwägt Klagen gegen die Hersteller, die Bundesregierung beschwichtigt die Bevölkerung, und die Opposition schimpft auf die Regierung. Man versteht es ja auch nicht: Mit dem Impfstoff der Firma Biontech aus Mainz gibt es ein extrem wirksames Mittel gegen das Virus, riesige Volumina werden in alle Welt geliefert – und EU-Länder wie Deutschland kommen kaum zum Zuge.
Deutschland hat in der dritten Kalenderwoche des Januars pro Tag 59.000 Menschen erstmals geimpft. Das sind zwar fast fünfmal so viele wie neu erkrankten, doch ist das bei Weitem nicht genug, um die Seuche in den Griff zu bekommen. Bis zur Jahresmitte würde man bei diesem Tempo gerade einmal elf Millionen Erstimpfungen realisieren können. Das ist weit weg von den 60 Millionen, die man impfen müsste, um die viel zitierte Herdenimmunität zu erreichen. Und auch bis zum Ende des Sommers, vor dem Beginn einer möglichen neuen Infektionswelle, wären gerade einmal etwas mehr als ein Viertel der erforderlichen Impfungen realisiert. Jeder weiß deshalb, dass eine dramatische Beschleunigung der Impfungen erforderlich ist.
Die Regierung erklärt, dass sie dank zusätzlicher Lieferungen bis Ende März 15 Millionen Menschen mit dem Biontech-Impfstoff und dem ähnlich wirksamen Impfstoff von Moderna geimpft haben wird. Das gibt etwas Hoffnung. Hoffnungen wurden allerdings schon viele geweckt, und viele zerstoben anschließend an der Realität. Auch die anfangs großen Erwartungen an den Impfstoff von AstraZeneca verwandelten sich inzwischen in große Ernüchterung – wegen Lieferproblemen und Meldungen, wonach sich positive Wirkungen auf die älteren Mitbürger, bei denen sich der Löwenanteil der schweren Fälle zeigt, bei den Tests bislang nicht nachweisen ließen.