Der Top-Ökonom Hans-Werner Sinn geht mit der Energiepolitik der Bundesregierung hart ins Gericht und fordert eine rasche Kehrtwende.
München – Deutschland steckt in der Energiekrise. Am Donnerstag hat die Bundesregierung wegen der starken Reduzierung russischer Gaslieferungen die Alarmstufe im Notfallplan Gas ausgerufen. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will außerdem kurzfristig verstärkt auf Kohleverstromung setzen, um die Gasspeicher bis zum Winter füllen zu können.
Mittel- und langfristig ist geplant, dass der Ausbau erneuerbarer Energien aus Wind und Sonne in Deutschland massiv beschleunigt wird. Vom geplanten Atomausstieg möchten Grüne und SPD aber bislang nicht abrücken. Und in der EU stehen Verbrennern ab 2035 wohl vor dem Aus.
Der Top-Ökonom und ehemalige Chef des Münchner ifo Instituts, Hans-Werner Sinn, kritisiert die Energiepolitik der Regierung und der EU unter diesen Vorzeichen scharf. In einem Gastbeitrag für die Bild am Sonntag warnt er vor der Energiewende und fordert eine Kehrtwende der Bundesregierung.
Der Wirtschaftswissenschaftler hält die Maßnahmen in der Energiewende für falsch, weil grüne Energie durch ein Verbot konventioneller Energien oder eine künstliche Verteuerung erzwungen werden müsse. „Das befeuert die Inflation und senkt den materiellen Lebensstandard. Schon heute hat Deutschland wegen des hohen Anteils der erneuerbaren Energien neben Dänemark die höchsten Stromkosten der Welt“, schreibt Sinn.
Darüber hinaus bezweifelt der Wirtschaftswissenschaftler, dass die Energiewende überhaupt der Umwelt nutze, da Europa alleine handle. Mit „seiner rabiaten Politik zur Zurückdrängung der Verbrennungsmotoren“ gebe Europa das Erdöl für die Weltmärkte frei und schade der eigenen Autoindustrie.
Denn dann würden eben die Länder das Erdöl verbrennen, die sich nicht zur CO2-Einsparung verpflichtet hätten. „Wie sich empirisch zeigen lässt, gelangt dort ziemlich genau so viel mehr an CO2 in die Luft, wie wir einsparen“, schreibt der Ökonom. Sein Fazit in der Bild am Sonntag: „Wir ruinieren die deutsche Autoindustrie, fördern unsere fernöstlichen Konkurrenten und helfen der Umwelt nicht einmal ein bisschen.“
Sinn forderte deshalb eine Kehrtwende der Bundesregierung in der Energiepolitik und kritisierte den zeitgleichen Ausstieg aus der Kohleverbrennung und der Atomkraft. Grüner Wasserstoff könne zwar langfristig Dunkelflauten bei Wind- und Sonnenenergie ersetzen. Aber auch der lasse sich nicht gut aus Wind- und Solarstrom herstellen, weil der zu „flatterhaft“ sei.
Der Wasserstoff werde deshalb aus den vielen neuen Atomkraftwerken kommen, die Frankreich gerade zu bauen beschlossen hat und die von der EU als „grün“ bezeichnet werden, erklärt der Top-Ökonom. Und bekräftigt: „Da ist es dann doch wohl besser, die Reißleine zu ziehen und die deutsche Energiepolitik grundlegend zu überdenken. Noch stehen die letzten Atomkraftwerke.“ (lma/dpa)
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