Prof. Dr. Marcel Fratzscher
Präsident
Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW)
8. Juni 2018
Lieber Herr Fratzscher,
ich möchte Sie bitten, diesen Leserbrief unverzüglich und ungekürzt in Ihrem Publikationsorgan DIW aktuell abzudrucken. Er dient der Klarheit und Wahrheit des öffentlichen Diskurses über ein für Deutschland wichtiges Thema. Unter dem Titel "Die Energiewende wird nicht an Stromspeichern scheitern " behaupten die Autoren Schill, Zerrahn, Kemfert und von Hirschausen, dass ich in meinem 2017 im European Economic Review erschienenen Aufsatz Buffering Volatility: A Study on the Limits of Germany’s Energy Revolution "Deutschland weitgehend als 'elektrische Insel' ohne Interaktion mit dem Ausland" betrachte. Diese Behauptung ist falsch.
Die Hauptresultate meines Aufsatzes stehen in Abschnitten 7 und 8. Sie beschäftigen sich im Gegensatz zur Aussage der Autoren mit den Möglichkeiten der Speicherung in einem europäischen Netz, das von den Alpen bis nach Norwegen reicht. Dabei wird ein vollständiger Ausgleich der Streuung der volatilen nationalen Produktionsmengen durch den internationalen Netzverbund modelliert.
Die von den Autoren zitierte Zahl von 16,3 TWh für den Speicherbedarf ist ein Zwischenergebnis für den Fall, dass der internationale Verbund noch nicht hergestellt ist. Sie ist deshalb nicht die Prognose des Aufsatzes für einen in Deutschland erforderlichen Speicherbestand. Auf der Basis dieser Zahl schlussfolgere ich auch nicht, wie die Autoren behaupten, dass andere Optionen als erneuerbare Energien zur Emissionsvermeidung im Energiesektor geprüft werden sollten.
Diese Schlussfolgerung ergibt sich erst im letzten Abschnitt des Papers aufgrund des Vergleichs der erforderlichen Speichermengen im internationalen Netzverbund mit den Ergebnissen des EU-ESTORAGE-Projekts zur Abschätzung der geologischen Möglichkeiten für Speicherkraftwerke.
Ich zeige, dass man mit der nach dem ESTORAGE-Projekt geologisch erstellbaren Pumpspeicherkapazität ohne Abregelung bzw. Verklappung des überschießenden Stroms auf einen Marktanteil des Wind- und Solarstroms an der gesamten Stromproduktion der beteiligten Länder von maximal 50% kommt.
Dass man im Fall einer Verklappung der überschießenden Strommengen und der damit einhergehenden Effizienzverluste auch ohne Speicher eine vollständig grüne Stromproduktion erreichen kann, stelle ich nicht in Abrede. Vielmehr zeige ich es selbst in Abschnitt 6 (Abbildung 8) meines Papers.
Es ist löblich, dass die Autoren nun auch den Fall einer Teilverklappung der überschießenden Strommengen betrachten. Dass der Speicherbedarf dann umso kleiner ist, je mehr man verklappt, ist freilich trivial.
Mit freundlichem Gruß
Hans-Werner Sinn
Nachzulesen auf www.diw.de.