Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15. Juli 2020, S. 6.
Zu „Target-Saldo steigt auf fast eine Billion Euro“ von Gerald Braunberger (F.A.Z. vom 8. Juli): Braunberger unterscheidet drei potentielle Gründe für den plötzlichen Anstieg der Target- Salden der Bundesbank: 1. Überweisung der durch Staatspapierkäufe in Umlauf gekommenen Geldmittel nach Deutschland. 2. Kapitalflucht. 3. Finanzierung von Leistungsbilanzsalden. Möglichkeit 2 verwirft er, weil dann die von Italienern gehaltenen Einlagen bei italienischen Banken schrumpfen müssten, was sie nicht taten. Das ist aber voreilig, denn wenn Italiener Staatspapiere an die Banca d’Italia verkaufen und mit den Erlösen in deutsche Immobilien fliehen oder wenn sie die Erlöse verwenden, um ihre Schulden bei ausländischen Gläubigern zu tilgen, die nach Hause fliehen, ändern sich die Einlagen in Italien nicht. So gesehen ist der Unterschied zwischen Punkt 1 und 2 künstlich. Beides sind Formen der Kapitalflucht, die durch lokale Geldschöpfung kompensiert und ermöglicht wurden. Richtig ist die Aussage zu 3., dass die Finanzierung der Leistungsbilanzdefizite heute im Falle Italiens keine Rolle mehr spielt, denn diese Defizite gibt es inzwischen nicht mehr. Es stimmt freilich nicht, dass damals irgendwer die These vertreten hätte, dass die Target-Salden mit den Leistungsbilanzsalden korreliert waren. Es ging vielmehr stets darum, dass die private Finanzierung vorhandener Leistungsbilanzdefizite mit Hilfe von Auslandskrediten durch eine öffentliche Finanzierung des Notenbanksystems auf dem Wege der lokalen Geldschöpfung ersetzt wurde. Die These war von Leuten erfunden worden, die sie widerlegen wollten. Professor Hans-Werner Sinn, Gauting
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