München - Wissenschaftler, Institutsleiter, Politikberater: Gleich drei Berufe vereint Hans-Werner Sinn in Personalunion. Am heutigen Freitag wird der Finanzwissenschaftler und Chef des Münchner Ifo-Instituts 60 Jahre alt - ans Aufhören denkt er aber noch lange nicht. „Ich hab noch einiges vor", kündigt er an.
Streitbar und streitlustig tritt Sinn in der Öffentlichkeit auf. Ob Finanzkrise, Staatsverschuldung oder Mindestlohn - mit klarer Meinung und geschliffener Argumentation hat es der Mann mit dem markanten Bart zu einem der bekanntesten und renommiertesten deutschen Wissenschaftler gebracht. Stets felsenfest überzeugt von den eigenen Argumenten geht er dabei auch beharrlich auf Konfrontation. „Nicht mit Absicht", wie er versichert. „Meine Aufgabe ist es, die rationalen Argumente, die wissenschaftlich belegt sind, in die Öffentlichkeit zu tragen und das eben auch kompromisslos zu machen. Auch wenn das dem ein oder anderen nicht gefällt." Was ihn dabei antreibt, fasst er in einen kurzen Satz: „Es ist der Versuch, die Welt zu verbessern." Er denke dabei an Elend, Ungerechtigkeit und Ineffizienz. „Diese Dinge möchte man als Ökonom verbessern."
Seine Karriere als Weltverbesserer startet Sinn nach dem Abitur in Bielefeld 1967 in Münster mit dem Studium der Volkswirtschaftslehre. 1978 promoviert er in Mannheim und geht dann für ein Jahr mit seiner Frau und den zwei kleinen Kindern als Gastprofessor nach Kanada. Dort sei er „richtig aufgewacht", lobt er das Forscherklima. Trotzdem kehrt er zur Habilitation zurück. „Da hänge ich dann doch zu sehr an Deutschland."
Seit 24 Jahren lehrt der Finanzwissenschaftler inzwischen an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität, wo er den Lehrstuhl für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft innehat. „Was mir am meisten Spaß macht, ist die Forschung", sagt er. „Was ich als vornehmliche Aufgabe ansehe, ist die Institutsleitung." Seit 1999 leitet Sinn das Münchner Ifo-Institut, dessen monatlich gemessener Geschäftsklimaindex als wichtiger Indikator für die deutsche Konjunktur gilt.
Seinen Rang als einer der am meistzitierten Autoren in Deutschland in wissenschaftlichen Zeitschriften hat Sinn sich hart erarbeitet. „Ich reserviere mir gewisse Zeitblöcke im Jahr, wo ich mich dann total zurückziehe, wenig an mich herankommen lasse und meine Sachen schreibe", erzählt er. Unterstützung bekommt er dabei auch von seiner Frau Gerlinde, die er im Studium kennengelernt hat und die ebenfalls Ökonomin ist. Im 1991 erschienenen gemeinsamen Buch „Kaltstart" kritisierte das Ehepaar die Wirtschaftspolitik des wiedervereinigten Deutschland und warnte - aus heutiger Sicht zu Recht - vor lang anhaltenden Wachstumsschwächen der neuen Bundesländer.
Für sein Hobby, die Fotografie, bleibe neben all den Aufgaben kaum Zeit, erzählt er. „Seit ich am Ifo-Institut bin, habe ich Filmrollen und Videofilme angehäuft, die ich nicht geschnitten habe und die darauf warten, dass ich eines Tages pensioniert werde." An Ruhestand denkt Sinn aber noch lange nicht. „Ich möchte mich in den nächsten Jahren sehr stark der Klimaforschung widmen", kündigt er an. Doch zumindest an seinem 60. Geburtstag gibt der Finanzwissenschaftler einmal die Zügel aus der Hand: „Meine Frau hat für mich eine Feier organisiert, und ich weiß nicht das Geringste."