Es gibt Leute, die sagen, dass wir Hans-Werner Sinn nicht mögen und ihn immer nur kritisieren. Quatsch. Oder hätten wir zum 60. Geburtstag des Münchner Professors an diesem Freitag sonst die halbe deutsche Ökonomenelite mobilisiert und zu Antworten auf vier Sinn-Fragen bewogen?
Lesen Sie, warum Hans-Werner Sinn mit seiner Dissertation überzeugt hat; oder mit einem Kaltstart; und weniger mit Basarthesen. Und was uns Thomas Straubhaar, Norbert Walter, Martin Hellwig, Heiner Flassbeck, Axel Ockenfels, Wolfgang Franz, Horst Siebert, Volker Wieland, Kai Konrad und andere gemailt haben.
Die Fragen:
*Was war die beste Idee/Veröffentlichung von Hans-Werner Sinn?
*Welche Idee hat Sie am wenigsten überzeugt?
*Für welchen wirtschaftspolitischen Posten würden Sie Hans-Werner Sinn heute empfehlen?
* Was wäre Sinn am besten geworden, wenn er nicht Ökonom geworden wäre?
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Thomas Straubhaar, Chef des Hamburger HWWI
Die beste Idee Aus theoretischer Sicht halte ich die Dissertation in ihrer englischen Revision „Economic Decisions under Uncertainty“ für das herausragende Werk, weil es überzeugend darlegt, wieso die reinen neoklassischen Ansätze zur Erklärung individueller Entscheidungsfindung nicht genügen und wieso aus genau den Gründen Versicherungen helfen, Menschen risikofreudiger, mutiger und damit innovativer zu machen, was letztlich für die lange Frist mehr Wachstum und damit mehr Wohlstand generiert.
Aus wirtschaftspolitischer Sicht halte ich das Buch „Kaltstart“ für herausragend, weil die beiden Sinns in diesem Buch als erste und damit früh- und eingentlich auch noch rechtzeitig von der ökonomischen Katastrophe einer falsch verstandenen Gleichmacherei im Zuge der Wiedervereinigung gewarnt haben.
Weniger überzeugend Die Idee der Basarökonomie, weil HWS hier zu stark aus einer Optik der traditionellen, industriellen Fertigung argumentiert und dabei die positive Dynamik des durch die internationale Arbeitsteilung beschleunigten Stukturwandels zu höherqualifizierter Industriearbeit auf der einen Seite und zu dienstleistungsintensiven Tätigkeiten auf der anderen Seite unterschätzt. Oder anders gefragt: was soll an einer Basarökonomie eigentlich ökonomisch zu kritisieren sein?
Der politische Posten Seit ich HWS als Vorsitzenden des damals leicht angestaubten Vereins für Socialpolitik erleben durfte und mitbekommen habe, wie er dem Verein ein modernes, zeitgemässes Bild verpasste, bin ich mir sicher, dass HWS jeden Posten, bei dem ökonomischer Sachverstand gepaart mit klarer strategischer Führung erforderlich ist, bestens ausfüllen würde. Das Problem dürfte höchstens sein, dass gerade andere leicht verstaubte Institutionen zögern dürften, einen dynamischen Macher berufen zu wollen.
Second life Ich weiss nur, was er besser nicht geworden ist: Beim Wirtschaftsmagazin „Made in Germany“ der Deutschen Welle schlüpfte HWS für einen Tag in die Rolle eines Warenhausverkäufers von Produkten „Made in Germany“. Nach zwei mehr oder weniger erfolglosen Stunden musste HWS eingestehen, dass selbst seiner unwiderstehlichen Überzeugungskraft und seinem Charme Grenzen gesetzt waren. Andererseits bin ich überzeugt, dass HWS nichts unversucht lassen würde, um eine neue Verkaufsstrategie (die sog. Basar-Strategie) zu entwickeln und damit den einzigen Misserfolg seiner beruflichen Laufbahn bei einem nächsten Mal vergessen zu machen.
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Norbert Walter, Chefökonom der Deutschen Bank Gruppe
Die beste Idee Zum einen das Buch Kaltstart, eine sehr frühzeitige, ehrliche und treffende Analyse der Herausforderungen (und Versäumnisse) des deutschen Wiedervereinigungsprozesses. Zum anderen das Ifo-Modell zum Kombilohn, eine überzeugende Blaupause für eine anreizkompatible Grundsicherung
Weniger überzeugend Die Überlegungen zu Deutschland als Basar-Ökonomie
Der politische Posten Arbeits- und Sozialminister, damit der Unfug in der Beschäftigungs- und Sozialpolitik aufhört.
Second life Marketingchef für einen Marken-Artikler
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Dennis Snower, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft
Die beste Idee Die aktivierdene Sozialhilfe. Mit diesem wirtschaftspolitischen Vorschlag zeigte Herr Sinn, wie man das Einkommen der Geringverdiener stützen und zugleich die Kosten der Arbeitgeber senken kann.
Weniger überzeugend Die Idee, dass zu hohe Löhne unweigerlich zu höherer Kapitalintensität führen würden.
Der politische Posten Wahrscheinlich jeden, den er anstrebt.
Second life HWS hat sich eine unnachambare Position in der deutschen Gesellschaft selbst geschaffen und ist in einer anderen Rolle für mich derzeit unvorstellbar.
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Heiner Flassbeck, Unctad-Chefökonom
Die beste Idee Ich finde Hans-Werner Sinns Anwendung der Preistheorie, die er im Gegensatz zu den meisten Ökonomen beherrscht, auf die Klimawandelfrage ganz prima und das wirklich nicht nur, weil ich diese Position (Keynesianer und Preistheorie!) selbst schon vor 30 Jahren vertreten habe.
Weniger überzeugend Dazu muss man eigentlich nicht antworten, weil der Gedanke an einen Basar in der Wirtschaft, die weltweit fast alle anderen Nationen in Sachen Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft aus dem Felde schlägt, von geradezu historischer Absurdität ist.
Politischer Posten Dazu fällt mir leider nichts ein.
Second life Ich würde ihm irgendein Fach vorschlagen, wo es wirklich nur eine Mikrodimension, aber keine Makrodimension gibt. Da wäre er sicher hervorragend geeignet.
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Martin Hellwig, Universität Mannheim
Die beste Idee „In seiner Dissertation „Entscheidungen bei Unsicherheit“ identifiziert Sinn das Problem, dass beschränkte Zahlungsfähigkeit Verhaltensanreize zum Eingehen übermäßiger Risiken erzeugen kann. Diese Beobachtung ist von grundlegender theroretischer und praktischer Bedeutung. Sie spielt eine maßgebliche Rolle in der einige Zeit später von Stiglitz und Weiss entwickelten modernen Theorie der Kreditrationierung, ist auch fundamental für die moderne Analyse des Verhaltens von Banken und der Aufgaben der Bankenaufsicht. Die derzeitige Finanzkrise – wie schon die Krisen der achtziger und frühen neunziger Jahre – spiegeln auch diesen Zusammenhang.
Weniger überzeugend „Sinns Kritik, die deutsche Wirtschaft entwickle sich hin zu einer „Basarökonomie“, kleidet das durchaus relevante Problem der Verdrängung produktiver Tätigkeiten durch überhöhte Arbeitkosten in eine meines Erachtens irreführende Formulierung. Die These von der Basarökonomie suggeriert eine m.E. ungerechtfertigte Geringschätzung des „Basars“, d.h. der Leistungen des Handels, des Vertriebs und der Hauptverwaltungen, relativ zur Produktion. Mich erinnert das an Werner Sombarts „Händler und Helden“ von 1915. Städte wie Hamburg, Frankfurt oder Basel sind „Basarökonomien“ und lassen es sich sehr gut dabei gehen.“
Der politische Posten „Der Posten, den er hat: Als viel beachteter Ideengeber und kritischer Begleiter der Wirtschaftspolitik.“
Second life Dafür fehlt mir die Phantasie. (Ich bin eben nur ein Ökonom!)
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Wolfgang Franz, Direktor des ZEW (Mannheim) und Mitglied im Sachverständigenrat
Die beste Idee: „Sein Buch (mit Gerlinde Sinn) ,Kaltstart‘, weil es sich unmittelbar nach der Wiedervereinigung um eine der wenigen fundierten ökonomischen Analysen zur Situation in Ostdeutschland mit konkreten wirtschaftspolitischen Handlungsempfehlungen gehandelt hat“.
Am wenigsten überzeugend: „Sein seinerzeitiges Eintreten für die Beibehaltung der Pendlerpauschale.“
Der wirtschaftspolitische Posten: „Da ich mit ihm befreundet bin, möchte ich ihm eigentlich keinen anderen wirtschaftspolitischen Posten wünschen als den gegenwärtigen, denn in der praktischen deutschen Wirtschaftspolitik würde er vermutlich verzweifeln und den Betroffenen zu sehr auf die Nerven gehen, bei uns in der Wissenschaft und als Institutschef-Kollege brauchen wir ihn.“
Second life Am besten wäre er auch dann Wissenschaftler geworden, vielleicht Naturwissenschaftler, wobei ich ihm dort ebenfalls Glanzleistungen zugetraut hätte.
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Horst Siebert, Johns Hopkins University, Bologna
„Ich bin Zweitberichterstatter bei Hans-Werner Sinns Habilitationsschrift gewesen, habe in Mannheim intensiv und häufig mit HWS diskutiert. Sinns wissenschaftliche Arbeiten sind durch ein starkes Interesse an der Allokation geprägt, auch der Allokation in der Zeit. Dies ist der Hintergrund, vor dem er wirtschaftspolitische Instrumente in ihrer Wirkung, nicht zuletzt in der langen Frist, beurteilt und aus gesamtstaatlicher Verantwortung vor Fehlsteuerungen warnt. Seine Tätigkeit am Ifo-Institut verdient große Anerkennung.“
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Kai Konrad, FU Berlin
Die beste Idee Die Auswahl hängt stark davon ab, ob man die wirtschaftspolitische Bedeutung oder die Impulse für die Volkswirtschaftslehre höher hängt. Zum ersten Punkt gehören die Analysen zur deutschen Wiedervereinigung, die Analysen zur Reform des Rentenversicherungssystems und die jüngeren arbeitsmarktpolitischen Vorschläge. Besondere Impulse für die VWL als Wissenschaft gingen z.B. aus von den Arbeiten zur Theorie des Wohlfahrtsstaats, den steuertheoretischen Arbeiten im Bereich der Kapitaleinkommensteuer und den Arbeiten zum Systemwettbewerb.
Second life Hans-Werner Sinn hätte auch ein Dax-Unternehmen leiten können.
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Axel Ockenfels, Universität Köln
Die beste Idee Hans Werner Sinn zeigt, dass wissenschaftlich seriöse Politikberatung möglich und wichtig ist.
Wenig überzeugend Ideen können mehr oder weniger überzeugen. Die Kunst ist die Argumentation und Präsentation, die bei HWS unübertroffen sind.
Ein politischer Posten Ich wünsche mir, dass er (auch) der Wissenschaft erhalten bleibt.
Second life Weiß nicht. Gibt es etwas schöneres als Ökonom
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Volker Wieland, Direktor Center for Financial Studies, Universität Frankfurt
„Meines Erachtens hat Hans-Werner Sinn einen enormen Beitrag zu den Wirtschaftswissenschaften in Deutschland geleistet. Seine Forschung ist international bekannt und wird weltweit ernst genommen. Seine Bücher und politikbezogenen Schriften für Deutschland stellen eine einzigartige Transferleistung von der Wissenschaft in die wirtschaftspolitische Praxis dar. Nicht zuletzt hat er sehr zu einer Modernisierung unserer wissenschaftlichen Vereinigung d.h. dem Verein für Socialpolitik beigetragen.“
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Anyway. Herzlichen Glückwunsch.
Nachzulesen auf www.neuewirtschaftswunder.de