Halbzeitbilanz

Die Krise zwingt zu Anpassungen. Sie sorgt für Druck und beeinflusst alle: Anleger. Unternehmer. Arbeitnehmer. Regierung. Doch auch Krisenzeiten brauchen Verschnaufpausen und Zeit für die besonnene Analyse. Hans-Werner Sinn, Professor für Nationalökonomie in München, liefert sie.
Interview mit Hans-Werner Sinn, ahead, 01.05.2009, Nr. 2/2009, S. 18-23

Herr Professor Sinn, Sie haben vor sechs Jahren einen Bestseller geschrieben mit dem Titel „Ist Deutschland noch zu retten?“ In den letzten Monaten ist wirtschaftlich einiges ins Rutschen gekommen – in Deutschland, in Europa, in den USA. Der Titel einer allfälligen Neuauflage müsste deshalb wohl eher heissen: „Ist die Welt noch zu retten?“

Ja, die Welt und die globale Wirtschaft lassen sich retten, aber ich gebe zu, die Situation war noch nie so brenzlig wie heute. Es ist erschreckend, wie schnell und wie massiv die Indikatorwerte gefallen sind. Einen Rückgang in diesem Ausmass haben wir seit der Weltwirtschaftskrise von 1928/1932 noch nie beobachtet. Die Auftragseingänge der deutschen Industrie gingen im Inland um 30% und im Ausland um 40% zurück. Die Wirtschaft befindet sich im freien Fall. Man muss sie auffangen.

Haben Sie sich jemals die Frage gestellt, ob ein einzelnes Land die Möglichkeit gehabt hätte, sich gegen diese Krise abzusichern?

Die Krise kommt auf zweierlei Weise in das Inland: Einmal über das Finanzsystem und einmal über die Realwirtschaft. Die realwirtschaftliche Abschottung wäre nicht möglich gewesen, beziehungsweise nur unter der absurden Annahme, dass man auf den Handel mit andern Ländern verzichtet hätte. Damit hätte man freilich den Wohlstand gekappt. Das will niemand. Anders sieht es bei der finanzwirtschaftlichen Übertragung aus. Diese hätte man durchaus abblocken können. Das hat zum Beispiel Spanien mit seinem Bankensystem ganz gut geschafft und auch Italien – so problematisch Italien sonst im Wirtschaftsleben dasteht. Beide Länder haben eine Eigenkapitalunterlegung der Offshore-Aktivitäten ihrer Banken verlangt. Eine straffere nationale Regulierung hätte auch in andern Ländern verhindern können, dass die Banken übermässige Risiken auf sich nehmen.

Wie kommen wir wieder aus der Krise heraus? Was müssen die Regierungen vorkehren?

Die realwirtschaftliche Krise ist eine keynesianische Krise. Nachdem die politische Linke in der Vergangenheit immer wieder mal zu Unrecht behauptet hatte, wir hätten keynesianische Krisen, haben wir jetzt wirklich eine. Wer dagegen antreten will, braucht eine keynesianische Politik.

Was heisst das?

Der Staat muss sich verschulden und den Einkommenskreislauf mit Staatsausgaben stärken, so problematisch das für die lange Frist ist. Bezüglich der Banken besteht gar keine Wahl – man muss sie retten, weil ohne sie die Volkswirtschaft nicht funktionieren kann. Man muss ihnen also staatliche Eigenkapitalhilfen und Liquiditätshilfen geben und sich ganz oder teilweise an ihnen beteiligen – das ist der englische Weg. Der britische Staat ist zum Miteigentümer der grossen Banken des Landes geworden. Das soll freilich nicht auf Dauer sein, nur solange die Krise anhält. Auch in der Schweiz ist der Staat den Banken massiv zur Hilfe gekommen, denn das Schweizer Bankensystem hat in der Krise bereits die Hälfte seines Eigenkapitals durch die notwendig gewordenen Abschreibungen verloren.

Sie sagen, wir hätten eine keynesianische Krise. In Amerika kann ich dies nicht sehen, weil ich keine Nachfragelücke entdecken kann. In den USA ist ja gerade nicht so, dass die Leute dort gespart hätten und jetzt auf dem Geld sitzen, das sie nicht in den Kreislauf zurückgeben wollen. Sie haben in Tat und Wahrheit viel zu wenig gespart und viel zu viel auf Pump konsumiert.

Das war in der Tat so, aber das ist Vergangenheit. Das hat das Land in die Überschuldung getrieben. Aber nun sparen die Haushalte wieder mehr, ohne dass die Firmen dieses Mehr an Ersparnissen für Investitionen aufnehmen wollen. Nach dem Zusammenbruch des Hypotheken- und Häusermarktes müssen die Haushalte den Gürtel enger schnallen und können deutlich weniger konsumieren. Also fehlt es an gesamtwirtschaftlicher Nachfrage.

Sollen also Schulden mit Schulden bekämpft werden?

Ich will es mal so ausdrücken: Die Amerikaner haben sehr ungesund über ihre Verhältnisse gelebt und den American Dream auf Pump finanziert. Sie haben also in gewisser Weise Opium genommen. Damit fühlten sie sich pudelwohl. Als 2007 und 2008 die Opiumzufuhr schlagartig unterbrochen wurde, kam der große Jammer. Die Lösung der Politik besteht darin, die Opiumzufuhr wieder in Gang zu bringen. An Stelle der Individuen verschuldet sich nun einfach der Staat.

Eine etwas zweifelhafte Methode um aus dem Schlamassel raus zu kommen?

Ja, das ist wohl war. Aber es gibt kurzfristig keine Alternative. Denn ein Opiumsüchtiger kann nicht von heute auf morgen seine Droge absetzen. Der Entwöhnungsprozess hat nur dann Erfolg, wenn die Dosis allmählich heruntergesetzt wird, was sehr, sehr schwierig ist. Der Staat muss also im Moment den Konsum stützen und gleichzeitig langfristig in ein anderes Regime hinüberwechseln, bei dem weniger konsumiert und mehr gespart wird. Das wird ein äusserst schwieriger Prozess, der sich weit über die Amtszeit von Präsident Obama erstrecken wird.

Was glauben Sie, wer soll die Obama-Bonds kaufen? Ist es das Ausland, das weiterhin Geld gibt? Oder setzt die US-Zentralbank einfach die Notenpresse in Gang?

Die amerikanische Notenbank hat begonnen Staatsanleihen zu kaufen. Daneben werden aber die US-Staatspapiere weiterhin ins Ausland verkauft. Der amerikanische Kapitalimport ist im Jahre 2008 sogar wieder gestiegen und lag zum Schluss bei 790 Milliarden US-Dollar – gegenüber 637 Milliarden im Jahre 2007.

Wie lange macht das Ausland das noch mit?

Das Ausland zögert sicherlich, weiterhin die sogenannten strukturierten Wertpapiere amerikanischer Provenienz zu kaufen. Für die komplizierten Papiere, bei denen niemand weiss, gegen wen man einen Anspruch hat, gibt es keinen Markt mehr. Aber für die amerikanischen Staatspapiere sieht es besser aus. Dieser Markt kann durchaus noch zehn Jahre lang funktionieren. Aber auch dieser Markt dürfte an ein Ende kommen, weil jeder Anleger davon ausgehen muss, dass die USA eines Tages einfach ein Schuldenmoratorium erklären, ohne dass ein anderer Staat etwas dagegen unternehmen kann. Diese Gefahr besteht. Die Schweiz könnte keine Moratorium erklären. Dazu fehlt ihr die Streitmacht. Bei den USA ist es anders. Wenn die USA eines Tages ihre Schulden nicht mehr zurückzahlen wollen, dann tun sie es einfach nicht mehr. Ein so mächtiges Land kann niemand außer vielleicht China in die Schranken weisen.

Also würden Sie 2009 wahrscheinlich keine amerikanischen Staatspapiere kaufen?

Doch, denn im Moment halte ich die Gefahr eines US-Schuldenmoratoriums noch für gering. Außerdem gehe ich einmal davon aus, dass die Amerikaner den Weg zu einer gesunden Finanzpolitik zurück finden. Wenn das aber nicht passiert und die USA von einer Verschuldungswelle in die nächste rutschen wie das Japan während 18 Jahren gemacht hat, dann würde ich meine Finger definitiv von US-Staatspapieren lassen. Japanische Staatspapiere würde ich schon heute nicht mehr kaufen, weil der japanische Staat heute eine Schuldenquote von über 170% des Sozialproduktes aufweist. Amerika wird dieses Jahr die 80%-Grenze durchschreiten, was für ein Land, das immer als Hort der Stabilität gegolten hat, eine unglaublich hohe Zahl ist.

Beunruhigt es Sie, wenn Sie sehen, wie sich jetzt viele Branchen an den Staat wenden und um Rettungsprogramme nachsuchen?

Es ist sinnvoll, dass der Staat jetzt Ausgabenprogramme macht, aber er sollte sich hüten, mit dem Geld, das er dafür ausgibt, Strukturpolitik betreiben zu wollen. Dies kann er nicht, weil er nicht entscheiden kann, welche Branchen überleben sollen und welche nicht. Die Krise selber sorgt für den Strukturwandel. Man muss den Wandel einfach zulassen. Stützungsmassnahmen für einzelne Branchen sind nicht sinnvoll.

Seit die Krise da ist, scheinen da und dort neu-alte Diskussionen aufzuflammen. Sie heissen: Staat versus Markt; Regulierung versus Liberalisierung; Protektionismus versus freier Handel. Sind das die richtigen Diskussionen?

Die Gegensatzpaare sind zu grob und zu allgemein. Viele haben die Marktwirtschaft als ein System missverstanden, das der Anarchie gleichkommt und in dem jeder tun und lassen kann, was wer will. Das aber stimmt natürlich nicht. Der Markt ist ein geregelter Wettkampf, der nach klar definierten Spielregeln stattfindet. Ein Wettkampf ohne Spielregeln ist ein Krieg. Und Markt ist das Gegenteil von Krieg. Der Eigennutz der Marktpartner wird durch die Spielregeln so kanalisiert, dass etwas sinnvolles für die Gesamtheit entsteht. Die Grundregel der Marktwirtschaft heisst: „Um reich zu werden darf ich nicht einfach jemandem etwas wegnehmen, sondern ich muss selber fleissig sein, damit ich zu etwas komme im Leben.“ Der Markt kanalisiert den Egoismus des Individuums so, dass er sich produktiv äussert. Das funktioniert nur mit Spielregeln. Mit Blick auf die Finanzkrise heisst das, dass wir in Zukunft eine stärkere Bankenregulierung brauchen als bisher.

Gehen Sie davon aus, dass die Krise mit einer stärkeren Finanzmarktregulierung hätte verhindert werden können?

Mit Sicherheit.

Aber trotzdem wird jegliche Regulierung nicht dazu führen, dass es keine Krisen mehr geben wird.

Das ist richtig. Die Menschheitsgeschichte ist voller Krisen; es wird sie weiterhin geben. Die Regelsysteme des menschlichen Zusammenleben weisen immer Defizite auf, die zu Krisen führen und erst danach korrigiert werden. Krisen lösen im besten Fall evolutive Lernprozesse aus.

Und was sind die Lehren der Finanzkrise?

Sie hat uns gezeigt, dass Banken tendenziell mit zu tiefem Eigenkapital arbeiten. Damit sind sie sehr konkursanfällig, weil Puffer fehlen und die Risiken zu hoch sind. Wer kein Eigenkapital hat, hat nichts zu verlieren und beginnt an den Märkten zu spielen wie im Kasino. Der Gewinn wird privatisiert und der Verlust sozialisiert. Das darf nicht sein. Wir müssen wieder lernen, das Haftungsprinzip als fundamentales Grundprinzip der Marktwirtschaft zu respektieren: Wer jemandem Nachteile zufügt, muss dafür gerade stehen.

Soll man den Markt ordnen? Soll man ihn zähmen? Oder soll man ihn befreien? Im Moment diskutieren Regierungen und Politiker vor allem über neue Fesseln. Ist die Liberaliserung an ihr Ende gekommen?

Es geht nicht um entfesseln und befreien. Es geht um richtige Regeln. Der Markt braucht gute Regeln. Leider haben wir teilweise zu wenig Regeln, und anderswo schlechte Regeln. Denken Sie nur an die direkte und indirekte Regulierung der Lohnstrukturen. Nur mit guten Regeln kann der Markt die Allokation der Ressourcen richtig steuern. Aber leider kann er die Regeln nicht selbst finden. Selbststeuerung und Selbstregulierung ist nicht dasselbe.

Was das Finanzsystem angeht, haben Sie eine bessere Regulierung der Banken erwähnt und ein höheres Eigenkapital. Was braucht es sonst noch, damit die Stabilität wieder zurückkehrt?

Ich will nicht in alle Details gehen. Aber ich glaube, dass wir früher in der Unternehmensbilanzierung vernünftigere Bewertungsregeln hatten als heute. Im deutschen Handelsrecht gibt es das so genannte Niederstwertprinzip. Daran sollten sich die Regulierungssysteme der Welt orientieren. Sodann darf es nicht sein, dass Banken gewisse Geschäfte aus ihrer Bilanz auslagern können. Alles was Bankgeschäft ist, gehört in die Bilanz und muss mit Eigenkapital unterlegt werden. Die G-20-Staaten haben sich in London darauf verständigt, nur die systemrelevanten Hedge Funds ähnlich wie Banken zu regulieren. Diese Einschränkung kann ich nicht nachvollziehen. Alle Hedge Funds müssen wie Banken reguliert und beaufsichtigt werden.

Die G-20 hat sich auch für eine Internationalisierung der Bankenaufsicht ausgesprochen. Ist das richtig oder falsch?

Richtig. Die nationale Regulierung führt oft zu einem Laschheitswettbewerb, weil jedes Land sich sagt, wenn wir strenger sind als die Behörde im Nachbarland, dann verliert unser Finanzplatz Geschäfte ans Nachbarland. Das macht die Behörden auch dort zu-rückhaltend und vorsichtig, wo sie entschlossen eingreifen müssten. Im Extremfall führt dies dazu, dass gar nicht reguliert wird, wie wir das ja in den USA bei den Investment-Banken oder bei der AIG gesehen haben. Regulierungssysteme dürfen nicht einem zwischenstaatlichen Wettbewerb ausgesetzt sein.

Es gibt andere Ansichten dazu.

Ja, gewiss. Ich habe zu diesem Thema vor einigen Jahren eine Debatte mit zwei andern Ökonomen geführt. Diese Ökonomen, unter ihnen ein Schweizer, waren der Meinung, dass ein Wettbewerb der Regulierungssysteme durchaus möglich sei und die Funktion der Aufsichtsbehörde nicht zwingend schwächen müsse. Ich bin da skeptisch und bezweifle dies.

Warum?

Ein Analogieschluss vom Wettbewerb unter Firmen auf den Wettbewerb zwischen Staaten ist grundsätzlich nicht möglich. Staaten kennen ja kein Preissystem wie der Markt. Ich sehe auch ein tiefer liegendes Problem: Weil Staaten dort eingreifen, wo es Markt-fehler gibt, muss man befürchten, dass die Wiedereinführung des Marktes durch die Hintertür des staatlichen Wettbewerbs eben diese Markfehler auf höherer Ebene von neuem hervorbringt. Ich habe das einmal das Selektionsprinzip genannt.

Und deshalb sind Sie für eine internationale Harmonisierung der Bankenregulierung?

Ja. Wir brauchen im Finanzsystem eine Art Oberaufsicht, die beispielsweise vom Internationalen Währungsfonds oder von den Vereinten Nationen ausgeübt werden könnte. Ergänzend dazu bräuchte es in jedem Land eine nationale Aufsicht, die sich nach den Regeln der Oberaufsicht richtet. Die nationale Aufsicht könnte bei der jeweiligen Zentralbank angesiedelt sein. Es wäre also nicht so, dass die internationale Oberaufsicht die Banken in der Schweiz, in Deutschland oder sonstwo direkt beaufsichtigen würde. Sie würde nur ein Rahmensystem schaffen, dass anschliessend von den Einzelstaaten in das nationale Recht umgesetzt würde.

Wobei ein Land strenger, aber nicht lascher regulieren dürfte?

Ganz genau.

In Ihrem Publikationen stehen Sie immer für eine funktionierende Marktwirtschaft ein, kämpfen für eine klare Ordnungspolitik und für klare Rahmenbedingungen. Jetzt aber erhalte ich den Eindruck, dass Sie in der aktuellen Krise Ihre Grundsätze vergessen und viel Verständnis für staatliche Eingriffe entwickeln.

Wieso? Ich will doch gerade einheitliche Ordnungsregeln. Der Neo- oder Ordo-Liberalismus sagt ja gerade, dass der Paleo-Liberalismus nicht funktioniert, weil der von der Illusion ausgeht, dass sich selbst die Ordnungsregeln der Märkte von alleine finden. Auch aus neo-liberaler Sicht darf der Staat freilich nicht die Löhne und Preise regulieren. Das darf er nie, weil der Preismechanismus das zentrale Steuerungselement der Marktwirtschaft ist. Auch die Gewährleistung des Eigentumsschutzes ist unabdingbar. Aber es muss möglich sein, dass der Staat die Vertragsbedingungen mitreguliert. Das ganze bürgerliche Gesetzbuch ist eine einzige Regulierung der Verträge, die privatwirtschaftlich gemacht werden. Der Staat muss auch den Wettbewerb regulieren, weil der Wettbewerb seine Existenzbedingungen selbst zerstört, wenn zum Beispiel Unternehmenszusammenschlüsse nach Belieben erlaubt sind. Es bleibt immer eine offene und neu zu beantwortende Frage, wie weit diese Regulierung gehen soll und wo sie ihre Grenzen finden muss.

Und derzeit stecken Sie die Grenzen für die Marktwirtschaft etwas enger?

Als wann? Ich habe meine Position zur Bankenregulierung vor einigen Jahren schon formuliert.

Aber sie wollen heute sogar direkte Interventionen?

Neoliberale Politik ist Brandschutz, aber keine Feuerwehr. Die Welt steckt in einer akuten keynesianischen Nachfragekrise und braucht deshalb die keynesianische Rezeptur. Wir können doch nicht alles kaputt gehen lassen. Ohne grosse Rettungs- und Hilfsprogramme würden schwerste Schäden für das marktwirtschaftliche System entstehen. Auch zur Mitbeteiligung des Staates an Banken, die aus eigener Kraft nicht mehr überleben können, sehe ich keine gangbare Alternative. Nach den Prognosen des IWF ist das amerikanische Bankensystem pleite und das Schweizer wohl auch. Da hilft das ganze Wunschdenken nicht. Wenn aber kein privates Kapital für die bankrotten Banken zur Verfügung gestellt wird, dann gibt es keine andere Möglichkeit als den Staat als letzten Retter einsteigen zu lassen. Die Schweiz hat ausländisches Staatskapital hereingeholt, um die UBS zu retten. Wäre es nicht besser gewesen, Schweizer Staatskapital zu nehmen? Der britische Staat hat sich selbst an seinen Banken beteiligt.

Gehen Sie grundsätzlich davon aus, dass Krisen reinigende Wirkungen auf die Politik, die Unternehmen und Banken haben?

Echten Strukturwandel gibt es immer nur in Krisenzeiten. Bei guter Konjunktur können sich auch schwächere Mitbewerber halten. Im Wirtschaftsabschwung müssen diese den Platz räumen. Dadurch entsteht Raum für neues.

Also hätte die Krise auch ihr Gutes?

Grundsätzlich schon. Doch wenn eine Krise solche Ausmasse annimmt wie die jetzige globale Krise, geht auch sehr viel verloren, was erhaltenswert ist. Deshalb ist es ausserordentlich wichtig, dass die verantwortlichen Regierungen richtig reagieren. Andernfalls geht der Kapitalismus zu Grunde und mit ihm die freie Marktwirtschaft. Niemand auf dieser Welt braucht nochmals 50 Jahre Sozialismus, um erneut zu erfahren, dass dieses System noch schlechter als alles andere funktioniert. Das wollen wir uns wirklich ersparen.

Das Interview führte Urs Thaler