Ifo-Präsident Sinn hat den Abschwung vorhergesehen
Das Münchener Wirtschaftsforschungsinstitut Ifo sieht Deutschland in den kommenden beiden Jahren in einer Rezession. Mit der Prognose des Ifo-Instituts vom 11. Dezember sind wohl auch dem Letzten die Ausmaße der derzeitigen Wirtschaftskrise bewusst geworden. ddp.djn-Korrespondentin Nadine Schimroszik sprach mit Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn über staatliche Hilfen, Steuersenkungen und die Prognosefähigkeit der Ökonomen.
ddp.djn: Herr Sinn, wie wahrscheinlich ist es, dass ihre Prognose von einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts im kommenden Jahr um 2,2 Prozent und 2010 um 0,2 Prozent in Deutschland eintritt?
Sinn: Das sind Punktprognosen, um die herum es erhebliche Streubereiche gibt. Die genannte Werte sind die Mittelwerte der nach Lage der Dinge möglichen Entwicklungen. Was genau passieren wird, hängt davon ab, wie rasch die Finanzkrise überwunden wird und welche Konjunkturpakete beschlossen werden.
Welche Folgen erwarten Sie für die Arbeitslosigkeit?
Wir rechnen im Vergleich zu heute mit einer halben Million zusätzlicher Arbeitslose bis Ende 2009.
Was sollte die Bundesregierung zur Verbesserung der derzeitigen Wirtschaftssituation unternehmen?
Die Bundesregierung kann wenig machen. Die Probleme sind alle aus dem Ausland gekommen. Derzeit wirken sich für den Exportweltmeister Deutschland die Exporte als größte Bremse aus. Die Bundesregierung kann jetzt nur Vorkehrungen treffen, dass keine Zweitrundeneffekte beim Konsum und bei der Bauwirtschaft auftreten.
Meinen Sie damit Steuersenkungen?
Auch. Der Solidaritätszuschlag sollte endgültig abgeschafft werden. Zudem könnten die Effekte der Progression des Einkommenssteuertarifes neutralisiert werden. Es kann nicht sein, dass das Aufkommen der Einkommensteuer stets viel schneller als das Sozialprodukt wächst. Daneben benötigt die Bundesrepublik ein staatliches Infrastrukturprogramm, mit Investitionen in Straßen, Schienen, Leitungsnetze, Schulen und vielem mehr. Wenn man diese Maßnahmen jetzt vorbereitet und mit einem Beschleunigungsgesetz für den Abbau von Planungshürden flankiert, könnte man sie im Verlauf des nächsten Jahres einsetzen, wenn die Zweitrundeneffekte zu wirken beginnen.
Viele Ökonomen vergleichen die heutige Krise mit dem Konjunktureinbruch 1975. Was sagen Sie dazu?
1975 handelte es sich um eine Angebotskrise durch die Erhöhung der Ölpreise, nachdem die Scheichs den Ölhahn zugedreht hatten. Jetzt sinken die Ölpreise, und es herrscht eine nachfrageindizierte Krise. Es gibt keine Parallelen.
Gibt es angesichts der globalen Finanzmarktkrise Spielraum für Lohnerhöhungen?
Nein, es gibt keinen Spielraum. In der Lohnpolitik ist Zurückhaltung angesagt.
Was ist mit den Managern?
Zu den Löhnen gehören natürlich auch die Löhne der Manager. Allerdings haben Manager auch keine Interessenvertretung, die diese Löhne kollektiv bestimmt.
Viele Ökonomen bedauern derzeit, dass sie den jetzigen Abschwung in diesem Ausmaß nicht kommen sahen. Sie auch?
Ja natürlich. Indes haben viele Ökonomen, und dazu gehöre ich auch, seit Jahren betont, dass es in den USA wegen des gigantischen Leistungsbilanzdefizits eine Blase gibt, die platzen wird. Leider kann man den Zeitpunkt des Platzens nicht voraussehen. Es ist wie bei einem Luftballon. Wenn man ihn immer mehr aufbläst, wird er mit Sicherheit platzen.
Sind sie mit dem heutigen Wissen aus dem Krisenverlauf schlauer?
Oh ja. Man lernt daraus viel. Die Rolle der verschachtelten Verbriefungen war mir vorher so nicht bewusst gewesen, auch nicht die Haftungsbeschränkungen der amerikanischen Hauskäufer, die ebenfalls dem Glücksrittertum verfallen waren.
Was muss in Zukunft verändert werden?
Sinn: Die Immobilienfinanzierung in den USA muss sich ändern. Außerdem müssen die Banken müssen gezwungen werden, mehr Eigenkapital zu halten. Dann ist ihr Puffer zur Abfederung von Verlusten größer, und die Aktionäre verlangen dann von ihren Managern vorsichtigere Geschäftsmodelle.