Berlin. "Die Politik hat mit ihren Maßnahmen die Erderwärmung beschleunigt", sagt Hans-Werner Sinn, Präsident des Münchner ifo-Instituts. Für Thesen wie diese hagelt es regelmäßig Kritik.
Gerade erst hat Sie der Naturschutzbund Deutschland (NABU) zum "Öko-Dinosaurier 2009" gekürt - weil Sie die Förderung von Solar- und Windenergie kritisieren. Was spricht denn dagegen, dass Deutschland nach dem Scheitern der Klimakonferenz von Kopenhagen hier weiter vorangeht?
Ich nehme den Dinosaurier-Preis an, denn Dinosaurier sind besonders langlebig und hartnäckig. Sie haben zehn mal so lange gelebt wie der Mensch seit der Abspaltung vom Affen. Aber damit keine Zweifel aufkommen: Ich gehöre zu denen, die gegen die drohende Klimakatastrophe ankämpfen wollen und lasse mich nur ungern des Gegenteils bezichtigen. Ich kritisiere nicht die Ziele, sondern die Instrumente, mit denen die Politik voranzukommen versucht. Weder Deutschland noch die Europäische Union können im Kampf gegen den Klimawandel allein etwas erreichen.
Ihre Thesen sind aus Sicht von Umweltschützern starker Tobak: Zum Beispiel der Hinweis, die Politik habe mit ihren Maßnahmen die Erderwärmung noch beschleunigt...
Das verstehe ich. Diese These folgt aus einer formalen Modellanalyse, die das Verhalten der Eigentümer der fossilen Bodenschätze an fossilen Brennstoffen mit einbezieht, also die Ölscheichs, die Gasoligarchen und die Kohlebarone. Die Eigentümer der erschöpfbaren Ressourcen tauchen in der Argumentation des Nabu und der grünen Politiker nicht auf, doch sie bestimmen durch ihr Abbauverhalten, wie schnell sich die Erde erwärmt. Die Ankündigung einer immer weiter gehenden Verschärfung der grünen Politikmaßnahmen hat diesen Ressourceneigentümern in den letzten drei Jahrzehnten große Sorgen bereitet. Sie befürchteten zu Recht, ihre Märkte zu verlieren, wenn wir die Förderung der Wind- und Solarenergie immer weiter vorantreiben und haben mit Angstverkäufen reagiert. Die Situation ist schon paradox: Eigentlich werden die Ressourcen immer knapper, aber der Ölpreis ist wegen dieser Angstverkäufe in realer Rechnung heute niedriger als 1982 - mit der Folge, dass die Nachfrage immer weiter gestiegen ist.
Was ist verkehrt daran, erneuerbare Energien zu fördern?
Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ist ein Flop. Deutschland wollte ja, dass das EEG von der EU übernommen wird, doch die entschied sich für den Emissionshandel. Die EU teilt den Kraftwerken handelbare Verschmutzungsrechte zu, durch die der europäische Gesamtausstoß an Kohlendioxid bis auf die letzte Tonne beschränkt wird. Dadurch wird das EEG vollkommen wirkungslos.
Wie kommen Sie darauf?
Die hohen Einspeisevergütungen für grünen Strom, die im EEG festgelegt sind, führen zwar dazu, dass in Deutschland konventioneller Strom durch grünen Strom verdrängt wird. Im Ausland ist es aber genau umgekehrt. Die deutschen Energiekonzerne verkaufen die nicht mehr benötigten Verschmutzungsrechte ins Ausland, und dort wird genauso viel Kohlendioxid mehr ausgestoßen wie in Deutschland eingespart wird. Da unser EEG die Preise der Emissionsrechte senkt, wird viel Solarstrom in Spanien und Windstrom in der Bretagne verhindert. Im Ergebnis wird aufgrund des EEG nicht eine einzige Tonne CO2 in Europa über das hinaus eingespart, was der Emissionshandel schon für sich genommen bewirkt.
Was wäre denn die Alternative?
Den Emissionshandel muss man alleine wirken lassen und auf mehr Wirtschaftsbereiche ausdehnen. Das EEG muss jedenfalls weg. Man muss den Emissionshandel sodann auf die ganze Welt ausdehnen, um zu verhindern, dass Länder wie China oder die USA jene Mengen an Treibstoff verbrauchen, die die EU wegen ihrer Umweltschutzmaßnahmen freigibt. Kein Staat der Welt darf die Verbrauchsminderung eines anderen Landes für sich ausnutzen, indem er die frei gewordenen Mengen an fossilen Kohlenstoffen selbst aufkauft. Leider ist es in Kopenhagen noch nicht einmal gelungen, dies zu verhindern, von der Vereinbarung einer Reduktion der Verbrauchsmengen ganz zu schweigen. Die Chinesen lachen sich doch nur ins Fäustchen. Bisher sind nur 30 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes vom Emissionshandel der UNO erfasst. So schnell wie möglich müssen alle Länder mit ins Boot geholt werden.
Das Interview erschien auch in der Schwäbischen Zeitung vom 20.01.2010