Deutschland ist bereit, Griechenland mit Kredit-Milliarden zu helfen. Ein richtiges Signal oder ein verhängnisvoller Fehler?
Sinn: Griechenland ist pleite und nicht mehr in der Lage, seinen Zahlungsverpflichtungen aus eigener Kraft nachzukommen. Es wäre deshalb richtig, die Schulden zu kürzen und das Land dann neu starten zu lassen. Die staatliche Hilfsaktion führt nur dazu, dass der Staat die privaten Gläubiger Griechenlands auszahlt und an ihre Stelle tritt, um dann später den Steuerzahlern die Kosten eines Schuldenerlasses aufzubürden. Frankreichs Banken halten für 51 Milliarden Euro griechische Staatspapiere und Deutschlands Banken für 31 Milliarden. Dennoch zahlt Deutschland für die Rettung Griechenlands ein Drittel mehr als Frankreich. Der deutsche Steuerzahler rettet Frankreichs Banken.
Was wäre die Alternative?
Eine Alternative ist der amerikanische Weg. Die USA sind viel mehr Staat, als Europa vorläufig sein kann, und dennoch lassen sie ihre Bundesstaaten Pleite gehen, wenn sie überschuldet sind. Dann tragen die Gläubiger die Lasten. Da das jeder weiß, sind die Geldgeber vorsichtig und verlangen hohe Zinsen, wenn es gefährlich wird. Die hohen Zinsen wiederum disziplinieren die Staaten mehr, als es ein Stabilitätspakt je vermöchte. Denken Sie nur an New York, das in den Siebzigerjahren fast pleite ging und unter dem Druck der Banken harte Sparauflagen erfüllen musste. Im Fall Griechenland haben wir gesehen, dass der Druck des Stabilitätspakts nicht zu ausreichender Haushaltsdisziplin führt. Man sollte stärker auf den Druck der Märkte setzen.
Wird Griechenland zum Fass ohne Boden?
Wir werden einen erheblichen Teil unseres Geld nicht wiedersehen. So viel ist klar. Der Internationale Währungsfonds wird aber vermutlich auch jetzt schon von Griechenland eine Umschuldung verlangen. Das läuft auf eine Kürzung der Ansprüche der Gläubiger hinaus. Ein Glück, dass Frau Merkel den IWF ins Boot geholt hat.
Droht die Krise um Griechenland nicht den Euro zu schwächen?
Sicherlich. Doch in der jetzigen Lage ist das nicht das Schlechteste. Der Euro ist gemessen an den Kaufkraftparitäten immer noch deutlich überbewertet. Das hat die Wettbewerbschancen der europäischen Wirtschaft zuletzt stark beeinträchtigt. Deswegen sind im Moment ja so viele Länder gefährdet.
Sind die Probleme in anderen Staaten der Euro-Zone noch größer als in Griechenland?
Es wird nicht bei Griechenland bleiben. Spanien hat ein riesiges Außenhandelsdefizit - aber es verfügt hoffentlich über genügend Wachstumskräfte, um damit fertig zu werden. Griechenland, Portugal und Irland sind dagegen extrem stark gefährdet. Wir werden gezwungen sein, den anderen Ländern so zu helfen wie es bei Griechenland getan wird. Das ist der Präzedenzfall.
Was müssen die Lehren aus der Griechenland-Krise sein?
Wenn schon ein Hilfspaket für Euro-Länder in der Not geschnürt wird, was den Bedingungen widerspricht, die Deutschland seinerzeit für seine Beteiligung am Euro gesetzt hat, brauchen wir für die Zukunft einen strengeren Stabilitätspakt mit automatisierten Strafen und Vorab-Haushaltskontrollen für Problemstaaten. Bisher war es so, dass die Haushaltssünder unter den Euro-Ländern über sich selbst zu Gericht saßen. Das müssen wir ändern. Wir brauchen eine Staatsanwaltschaft in Europa, die mutwilligen Überschreitungen der Schuldenregeln nachgeht und sie vor dem Europäischen Gerichtshof zur Anklage bringt. Griechenland hat seine Haushaltsmisere lange mit absichtlich gefälschten Zahlen verschleiert und sich in den Euro hineingemogelt. Und auch andere Länder, nicht zuletzt Deutschland selbst, haben die Regeln des Wachstums- und Stabilitätspakts missachtet. So etwas darf nicht länger geschehen.
Auch erschienen in:
Rhein-Neckar-Zeitung, 27.04.2010
Nordwest-Zeitung, 27.04.2010
Esslinger Zeitung, 27.04.2010
Donaukurier, 27.04.2010
Aachener Zeitung, 27.04.2010
Schweriner Volkszeitung, 27.04.2010