Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat die Forderungen einkassiert. Er sagte gegenüber BILD am SONNTAG: „Solche Forderungen helfen uns als Bundesregierung nicht weiter. Wir müssen im Rahmen der geltenden Verträge handeln.”
Für den FDP-Finanz- und Bankenexperte Florian Toncar hätte ein solcher Austritt jedoch seine Vorteile. Gegenüber BILD.de sagte er auf dem FDP-Parteitag: „Die Griechen würden dann einen grundlegenden Neuanfang machen, der allerdings erst einmal schmerzhafter ist, als im Euro zu bleiben. Leider kann man diesen Schritt aber nicht erzwingen.
Topthema Griechenland – BILD.de sprach mit dem Wirtschaftsexperten und ifo-Chef Hans-Werner Sinn über Finanzhilfen für die Hellenen.
BILD.de: Soll Deutschland den Griechen helfen?
Prof. Hans-Werner Sinn: Ich bin dagegen, weil wir uns damit in ein unkalkulierbares Abenteuer stürzen! Portugal, Spanien und Irland könnten folgen. Bei der Euro-Einführung wurde ausdrücklich zur Bedingung gemacht, dass es keinen Rettungsfonds gibt. Je mehr wir helfen, desto weniger strengen sich verschuldete Staaten an. In den USA gehen regelmäßig Bundesstaaten Pleite, wenn sie überschuldet sind – das diszipliniert.
BILD.de: Noch hat Deutschland nichts beschlossen!
Sinn: Ich kann nur warnen! Der Staat ist kein guter Banker. Meines Erachtens dürften wir nicht bezahlen, denn wir werden dadurch auf die schiefe Bahn gezogen. Wer jetzt für Griechenland bezahlt, muss irgendwann auch für andere Staaten bezahlen. Das ist ein Abenteuer, das eine Kettenreaktion von Nachahmereffekten auslösen kann. Da Griechenland pleite ist, müssen die Gläubiger auf einen Teil ihrer Schulden verzichten. Die Märkte erwarten heute, dass der internationale Währungsfonds eine solche Lösung ohnehin vorbereitet.
BILD.de: Rechnen Sie mit Klagen gegen deutsche Hilfe für Griechenland?
Sinn: Ja, das wird mit Sicherheit rechtlich angefochten. Der Maastricht-Vertrag und die Euro-Verträge geben das nicht her, weil Griechenland nicht ohne eigenes Zutun in Gefahr geraten ist. Natürlich dürften wir freiwillig helfen, aber es ist nicht in Ordnung, wenn die Hilfe von der EU organisiert wird. Für solche Aktionen muss der Maastrichter Vertrag neu verhandelt werden.
BILD.de: Wird Griechenland für den deutschen Steuerzahler zum Fass ohne Boden?
Sinn: Das ist zu befürchten. Wir sollen jetzt erst mal drei Jahre helfen. Aber danach wird das Problem nicht weg sein. Die Gefahr ist, dass Griechenland auf Dauer am finanziellen Tropf hängt und davon nicht mehr loskommt.
BILD.de: Was kann das Land tun, um selbst wieder auf die Füße zu kommen?
Sinn: Das ist extrem schwierig. Wenn Griechenland nun einen radikalen Sparkurs einschlägt, wird es politisch sehr schwierig. Nach der Party käme der Kater. Das Land durchlebt eine scharfe Rezession und seine Löhne und Preise fallen, bis die Importe schrumpfen und die Touristen wieder kommen und man wie in der Vor-Euro-Zeit durch den Verkauf von Ferienimmobilien neues Geld in die Kasse bekommt. Das klingt besser als es ist. Ich will mir gar nicht ausmalen, was dann auf den Straßen los ist.
BILD.de: Die Alternative?
Sinn: Griechenland tritt aus der Währungsunion aus. Viele befürchten, dass sich die Spekulation dann erst recht auf Portugal und Spanien konzentriert und diese Staaten immer höhere Zinsen zahlen müssen. Das aber wird wohl eher wegen des Schuldenmoratoriums als wegen des Austritts zu erwarten sein.
BILD.de: Werden wir das Geld jemals wiedersehen?
Sinn: Wenn schon die Kapitalanleger befürchten, ihr Geld nicht mehr zurück zu bekommen, werden es die Staaten erst recht nicht zurück bekommen. Das Geld steht im Risiko. Es ist zu befürchten, dass Griechenland immer wieder darauf setzen wird, in den Genuss eines Schuldenerlasses zu kommen.
BILD.de: Kann Deutschland sich eine solche Milliardenhilfe überhaupt erlauben?
Sinn: Nein, wir verschärfen damit unsere eigene Schuldenkrise, die aus demographischen Gründen in 20 Jahren ohnehin droht. Wir haben immer noch genug mit den Kosten der Wiedervereinigung und der Finanzkrise zu kämpfen und haben schon jetzt eine Rekordverschuldung weit über der erlaubten Euro-Höchstgrenze von 60 Prozent der Wirtschaftsleistung.
Die Griechenland-Hilfe – wie geht's jetzt weiter?
Eine Entscheidung der EU und Deutschlands über die Griechenland-Nothilfe wird nach Ansicht von Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) frühestens in 10 Tagen fallen. „Der Schwerpunkt der Prüfung liegt jetzt beim Internationalen Währungsfonds (IWF). Der IWF hat eine Schlüsselfunktion“, sagte Brüderle am Samstag in Köln am Rande des FDP-Bundesparteitags.
„Die Griechen müssen liefern, sie müssen ein aktualisiertes Konsolidierungskonzept für ihre Staatsfinanzen für die Jahre 2011 und 2012 vorlegen“, betonte er. Die Bundesregierung hatte sich zu rascher Hilfe für Griechenland bereit erklärt. Sie knüpft die beantragten Finanzmittel aber an strenge Bedingungen. Nach Schätzungen kommen auf die EU Kredithilfen für Athen in Höhe von 30 Milliarden Euro zu, 8,4 Milliarden davon auf Deutschland.
Die EU und der IWF wollen rasch entscheiden. Man sei bereit, „in dieser Angelegenheit prompt zu handeln“, sagte IWF-Direktor Dominique Strauss-Kahn am Freitag in Washington. Man habe wochenlang daran gearbeitet, „dass die Dinge nun schnell und reibungslos ablaufen können“, erklärte auch der Sprecher von EU-Währungskommissar Olli Rehn.