FRAGE: Irland erhält Hilfen aus dem Euro-Rettungsschirm. Saniert sich hier ein Land auf Kosten anderer?
SINN: Die Iren haben eine Steueroase aufgebaut und dadurch viel spekulatives Bankgeschäft angezogen. Hier brennt es jetzt! Nun sollen auch noch genau jene Länder einspringen, denen das Kapital weggelockt worden ist. Die Konsequenz ist, dass in Zukunft noch viel mehr Kapital nach Irland fließen wird. Das ist schon ein abenteuerlicher Vorgang.
FRAGE: Hat die Euro-Gruppe eine Alternative zum Helfen?
SINN: Ich sehe keine Möglichkeiten, die Hilfen noch zu stoppen. Die Verträge sind gemacht. Man fragt sich schon, ob das Ausmaß der vereinbarten Hilfen wirklich angemessen ist. Mittelfristig könnte Irland seine Haushaltsprobleme selbst sehr leicht lösen. Irland ist kein armes Land. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf liegt fast 20 Prozent über dem Deutschlands.
FRAGE: Wie groß wäre die Gefahr, wenn die Euro-Staaten nicht helfen würden?
SINN: Wir müssen schon helfen. Die Banken verleihen das deutsche Spargeld hemmungslos in dubiose Länder, anstatt es den deutschen Firmen und Häuslebauern für Investitionen zu geben, verspekulieren sich und müssen gerettet werden, weil sie sonst gefährdet sind. Sie haben uns in eine Zwickmühle gebracht, wenn nicht in Geiselhaft genommen. Aber ganz so schlimm, wie es dargestellt wird, ist es nicht. Die Banken können einen Teil der jetzt anfallenden Lasten sehr wohl verkraften. Der Steuerzahler kann nicht 100 Prozent der Lasten übernehmen. Das ist der entscheidende Punkt. Hinter diesem Rettungspaket steht eine Vollkaskomentalität. Es wird eben nicht verlangt, dass auch die Gläubiger Irlands oder Griechenlands auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten.
FRAGE: Werden weitere Staaten den Rettungsschirm in Anspruch nehmen?
SINN: Das könnte sein. Portugal und Spanien sind Wackelkandidaten. Der Rettungsschirm ist aber riesengroß. Er deckt einen erheblichen Teil der Staatsschuld der gefährdeten Länder ab. Deshalb sehe ich derzeit noch kein wirkliches Risiko für die Stabilität des Euro.
FRAGE: Ist Irland ein Präzedenzfall?
SINN: Wir erleben jetzt vielleicht einen Dammbruch. Wenn Frau Merkel nicht hart bleibt bei den anstehenden Verhandlungen zum Krisenmechanismus, geht es schnurstracks in Richtung Transferunion.
von Rasmus Buchsteiner
Ebenfalls erschienen in:
Ruhr Nachrichten, 23.11.2010
Schweriner Volkszeitung, 23.11.2010
Recklinghäuser Zeitung, 23.11.2010