Herr Professor Sinn, warum wird Deutschland bei der Verteilung der Notenbankgewinne in der Währungsunion benachteiligt?
Je größer die Geldmenge, desto größer sind auch die Notenbankgewinne. Deutschland bringt mit der D-Mark eine attraktive Währung in die Währungsunion ein, die im Ausland vielfach als Transaktionswährung genutzt wird. Im Vergleich zu anderen Euro-Staaten trägt Deutschland damit überdurchschnittlich zu den Notenbankgewinnen im Euro-Raum bei. Bei der Verteilung der EZB-Gewinne wird das nicht berücksichtigt; hier zählen allein Einwohnerzahl und Größe des Bruttoinlandsprodukts. So geben wir 39 % in den gemeinsamen Topf hinein, bekommen aber nur 31 % zurück. Diese Regelung greift ab 2002.
Wie groß ist der Verlust, der Deutschland dadurch entsteht?
Nach unseren Berechnungen verliert Deutschland auf Dauer 57 Mrd. DM. Die umlaufende Menge an D-Mark ist von der Bundesbank gegen zinstragende Wertpapiere ausgegeben worden. Die Zinszahlungen auf diese Wertpapiere bilden den Notenbankgewinn. Wir übertragen in der Währungsunion die Zinszahlungen auf Wertpapiere im Wert von 57 Mrd. DM an andere Länder.
Lässt sich der Schaden noch beheben?
Wohl kaum. Die Regelungen zur Verteilung der Notenbankgewinne wurden 1992 im Maastricht-Vertrag beschlossen. Wollte man sie ändern, müsste man das Statut der EZB ändern. Das ist nicht vorstellbar, weil die Vertragspartner die ja zu Lasten Deutschlands profitieren, dem zustimmen müssten. Mindern ließe sich der Verlust noch, wenn die im Vertrag vorgesehene fünfjährige Übergangsregelung genutzt wird. Damit würde die Vergemeinschaftung der Geldschöpfungsgewinne nicht schon ab 2002, sondern erst ab 2007 voll greifen.
Wird der Verlust größer, wenn mehr Staaten der Europäischen Währungsunion beitreten?
Der Verlust wird größer. Mit jedem zusätzlichen Land, welches keine attraktive Währung einbringt, nimmt die Verwässerung der Geldschöpfungsgewinne im Euro-Raum zu.
Hans-Wemer Sinn ist Professor für Nationalökonomie an der Universität München und Präsident des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung.
Die Fragen stellte Patrick Welter.
Wiederveröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Handelsblatts.
Zum selben Thema siehe: "EZB zahlt 500 Millionen Euro an Bundesbank", im Handelsblatt vom 03.04.2001, S. 28.