Ifo-Chef Sinn nennt Verhalten der Mannesmann-Manager bei Vodafone-Übernahme "Skandal"
Für Hans-Werner Sinn, Präsident des Münchner Instituts für Wirtschaftsforschung,(Ifo), ist der Mannesmann-Prozess zwingend. Mit ihm sprach Uwe Müller.
DIE WELT: Josef Ackermann, der Chef der Deutschen Bank, empfindet den Mannesmann-Prozess als ungerecht. Sie auch?
Hans-Werner Sinn: Ich halte es für notwendig und unerlässlich, diesen Prozess zu führen und dabei die Rechtslage zu klären. Das Verfahren in Düsseldorf wird helfen, Grenzen aufzuzeigen, was in Unternehmen geschehen darf und was nicht. Bei dieser Übernahme ist extrem viel Geld in Prämien und Abfindungen geflossen. Mich als Bürger hat das empört. Deshalb habe ich seinerzeit übrigens persönliche Konsequenzen gezogen und sofort meine Vodafone-Verträge gekündigt.
DIE WELT: Erwarten Sie eine Verurteilung wegen Untreue?
Sinn: Wer was wusste und zu verantworten hat, muss das Gericht entscheiden. Aus meiner Sicht ist es jedenfalls ein Skandal, dass sich die Leitung von Mannesmann offenkundig nur so lange gegen eine Übernahme durch Vodafone gesträubt hat, bis die privaten Abfindungsbeträge geklärt waren. Aber ich bin doch skeptisch, was die Beschuldigung der Aufsichtsräte betrifft. Aufsichtsräte sind nicht so in Unternehmensentscheidungen integriert, wie sich das außen Stehende vorstellen. Von Interna bekommen sie trotz ihrer Funktion meistens nur wenig mit. Vor allem ziehen sie aus den Entscheidungen des Vorstands keinen persönlichen Nutzen.
DIE WELT: Auch der ehemalige IG-Metall-Chef Zwickel und der frühere Mannesmann-Betriebsratsvorsitzende Ladberg müssen sich vor Gericht verantworten. Sehen Sie eine Mitverantwortung der Arbeitnehmerseite?
Sinn: Wer auf die Anklagebank gehört, kann ich nicht beurteilen. Aber soweit ich es sehe, hatten auch diese Personen weder eine Entscheidungskompetenz, noch haben sie sich bereichert.
DIE WELT: Nicht wenige Politiker und Manager fürchten negative Auswirkungen für den Standort Deutschland. Ist das übertrieben?
Sinn: Es ist falsch, wenn behauptet wird, dass der Prozess in Düsseldorf eine Gefährdung des Standortes Deutschland darstellt. Vielmehr ist der Standort durch die Übernahme von Mannesmann geschwächt worden. Damals hat Deutschland im Ergebnis eine Firmenzentrale an England verloren mitsamt vielen Positionen im Management - und mitsamt der gesellschaftlichen Nebeneffekte für den Standort, die solche Verlagerungen mit sich bringen. Die Hintergründe dieses Vorgangs aufzuklären ist für unseren Rechtsstaat unerlässlich. Wir brauchen in solchen Fällen mehr Rechtssicherheit als bisher. Jedenfalls darf es nicht sein, dass deutsche Manager sich mit exzessiven Abfindungen die Zustimmung zur Verlagerung von Unternehmenszentralen ins Ausland abkaufen lassen. Die Manager müssen ihrer Verantwortung gegenüber den Aktionären, den Beschäftigten und der Gesellschaft gerecht werden und dürfen ihre eigenen Interessen nicht in den Vordergrund stellen.