Wirtschaftsprofessoren Sinn und Hickel im Gespräch mit unserer Zeitung
Bremen/München Die CDU fordert in ihrem Leitantrag zu ihrem Parteitag längere Arbeitszeiten und die Abschaffung des Kündigungsschutzes. Ob diese Maßnahmen den Arbeitsmarkt beleben können, wollte unser Redaktionsmitglied Markus Roloff von den beiden Wirtschaftsexperten Rudolf Hickel, Professor an der Uni Bremen, und Hans-Werner Sinn, Leiter des Münchener Instituts für Wirtschaftsforschung (Ifo), wissen.
Frage: Sind längere Arbeitszeiten ein Rezept für mehr Stellen?
Hickel: Ich halte das für eine Illusion. Zunächst bedeuten längere Arbeitszeiten effektiv eine Lohnkürzung. Die Arbeitgeber müssen dann zwar niedrigere Stundenlöhne zahlen, das Einkommen des Arbeitnehmers bleibt aber gleich. Angesichts der ohnehin schwachen Binnenwirtschaft muss man sich fragen, wie dadurch der Konsum angekurbelt werden soll. In der Exportwirtschaft brauchen wir ohnehin keine längeren Arbeitszeiten, weil Deutschland in dem Bereich Weltmeister ist.
Sinn: Ja, eindeutig, denn bei längeren Arbeitszeiten leistet der einzelne Arbeitnehmer bei gleichem Lohn mehr für den Unternehmer. Deshalb lohnt es sich für den Unternehmer mehr Leute einzustellen. Er kann dann seinen Gewinn vergrößern.
Frage: In vielen Branchen wird bereits länger gearbeitet wird, als im Tarifvertrag steht. Mehr Stellen gibt es trotzdem nicht.
Hickel: Das beweist, dass auch Arbeitszeitverkürzungen kein Rezept gegen Arbeitslosigkeit sind. Und obwohl die Arbeitszeiten vielfach bei gleichem Lohn bereits länger geworden sind, gibt es keine neuen Stellen. Das Problem ist derzeit vielmehr die Binnenwirtschaft: Die Unternehmen investieren nicht, weil die Nachfrage fehlt.
Sinn: Ja, aber dann wird die Mehrarbeit in der Regel bezahlt. Wenn man länger arbeitet für mehr Geld, lohnt es sich für den Unternehmer nicht, mehr Leute einzustellen. Das ist nur dann der Fall, wenn man ohne Geld mehr arbeitet.
Frage: Würde die Abschaffung des Kündigungsschutzes den Arbeitsmarkt flexibilisieren?
Hickel: Das würde den Arbeitsmarkt zwar flexibilisieren, dennoch ist die Strategie falsch. Wenn, wie es die CDU fordert, in den ersten drei Jahren kein Kündigungsschutz mehr besteht, könnten die Unternehmen leichter Beschäftigte entlassen. Auch bisher Beschäftigte könnten unter die neuen Regeln fallen. Der Preis, den wir für die erhöhte Flexibilität zahlen würden, wäre der Verlust stabiler Arbeitsverhältnisse. Das wirkt auf Mitarbeiter nicht gerade motivierend.
Sinn: Ich würde sagen, ja, wenn der gesetzliche Kündigungsschutz für Neueingestellte abgeschafft wird. Für bereits Beschäftigte würde ich ihn nicht abschaffen. Dann gäbe es einen Anreiz für viele Unternehmen, neue Mitarbeiter einzustellen, die jetzt auf Grund der unsicheren Konjunkturlage nicht eingestellt werden, weil die Firmen Angst haben, dass sie sich jemanden ans Bein binden könnten, den sie nie wieder los werden.