Der Chef des Münchner ifo-Instituts, Professor Hans-Werner Sinn, geißelt die neue Transparenz bei der Offenlegung von Managergehältern: Im Extremfall könnten durch sie sogar Arbeitsplätze vernichtet werden, sagte er. Die Transparenz leiste den Neidkomplexen der Deutschen Vorschub.
Im Gespräch mit unserer Zeitung verteidigte sich Sinn gegen kritische Stimmen: "Wenn man es allen gleich machen wollte, hätten wir ein System wie das der DDR. In der DDR ging es aber allen gleich schlecht." Weiterhin rügte er "linke Kreise" und deren Rufe nach einer staatlichen Begrenzung der Einkommen. Diese würde zu einem Erlahmen der Wirtschaft führen.
Herr Sinn, verdienen Manager das, was sie verdienen?
Sinn: Nein. Mit meinen Vorstellungen von Gerechtigkeit deckt sich die Höhe der Gehälter nicht. Ich empfinde Manager im Hinblick auf den Arbeitseinsatz als überbezahlt. Dennoch warne ich davor, dagegen vorzugehen. In der Marktwirtschaft sind Lohnstrukturen durch das Gesetz der Knappheit bestimmt, und das hat mit Gerechtigkeit nichts zu tun. Wenn man die Entlohnung nach Knappheit durch eine Entlohnung nach dem Prinzip der Gerechtigkeit ersetzen will, stellt man die marktwirtschaftliche Ordnung in Frage. Würde man die Managergehälter von Staats wegen zusammenstauchen, würden die Manager Deutschland in Richtung London und sonstwohin verlassen. Deutschland hat ohnehin schon einen massenhaften Brain Drain bei der Elite zu beklagen.
Was ist dann gerechter Lohn?
Sinn: Jeder hat hier seine eigenen Vorstellungen. Das Ziel der Gerechtigkeit ist aber nur eines von mehreren Zielen innerhalb unseres Gesellschafts- und Wirtschaftssystems. Ein anderes Ziel ist die Effizienz und der Wohlstand der breiten Massen an sich. Wenn man es allen gleich machen wollte, hätten wir ein System wie das der DDR. In der DDR ging es aber allen gleich schlecht.
Sie sagen: Die Gehälter von Managern sind zu hoch und daran kann man nichts ändern. Kann man denn wirklich nichts ändern?
Sinn: Das sage ich nicht. Man kann und soll durch das Steuersystem eingreifen. Das geschieht ja. Ich bin der Meinung, dass die Marktwirtschaft ein progressives Steuersystem braucht. Den Reichen muss man nicht nur absolut, sondern auch relativ mehr wegnehmen als den Armen. So ist unser Staatswesen ja konstruiert. Aber man muss dabei Maß halten.
Sie behaupten, dass es sich mit etwas mehr Ungerechtigkeit besser lebe. Stoßen Sie damit nicht vielen Menschen vor den Kopf?
Sinn: Nein. Das ist objektiv richtig. Meine These entspricht den Grundthesen der Volkswirtschaftslehre. Wenn es den Reichen gut geht, dann geht es auch den Ärmsten der Gesellschaft gut. Die Wirtschaft ist kein Nullsummenspiel. Ich empfehle die Lektüre des Philosphen John Rawls zu dieser Frage.
Gewerkschafter kritisieren Sie dafür.
Sinn: Ich möchte nicht so vereinfacht wiedergegeben werden, dass am Ende das Gegenteil von dem gilt, was ich meine. Also noch einmal: Die Managergehälter, die der Markt hervorbringt, sind ungerecht. Doch funktioniert das System nur mit guten Managern, die Gehälter kriegen wie anderswo auf der Welt auch. Deshalb warne ich davor, mittels eines Plebiszits in die Gehaltsstrukturen einzugreifen. Die Manager sind von den Eigentümern zu kontrollieren, und das Finanzamt darf auch seinen Teil zur Lösung des Problems beitragen. Mehr nicht. Denn die Alternative, die Einkommen durch staatliche Verordnungen zu begrenzen, wie bestimmte linke Kreise das wollen, würde zu einem Erlahmen der Wirtschaft führen. Sozialistische Umverteilungsrezepte, die den Wohlstand der Massen vergrößern sollen, verringern ihn in Wahrheit.
Das Interview führte Daniel Wirsching.