Der Rückgang der Häuserpreise zwingt die Amerikaner, wieder mehr zu sparen. Die Bremswirkungen davon wird auch Deutschland zu spüren bekommen, sagt Hans-Werner Sinn.
Wenn Alan Greenspan erklärt, Amerika durchlaufe derzeit die schwerste Finanzkrise der Nachkriegszeit, dann gibt es nichts mehr zu deuteln. Die bis dato schwerste Krise war die Savings & Loan-Krise der Jahre 1990/91, bei der ein Abschreibungsbedarf für faule Kredite in Höhe von 160 Milliarden Dollar entstanden war, der wegen der Einlagensicherung damals zu 125 Milliarden Dollar vom Staat zu decken war. Die Schätzungen für den Abschreibungsbedarf bei der jetzigen Krise gehen bis zu 400 Milliarden Dollar. Der Unterschied zu damals ist freilich, dass die Lasten im Wesentlichen von den Banken selbst getragen werden müssen. Der Staat hat zwar ein Konjunkturprogramm in Form einer Steuersenkung verabschiedet, die in diesem Jahr die verfügbaren Einkommen um gut 150 Milliarden Dollar erhöhen wird. Aber das Geld wird nicht an die Banken gezahlt, sondern breitflächig über die US-Wirtschaft gestreut. Nur die Ausfallgarantie in Höhe von 30 Milliarden Dollar, die die US-Notenbank Fed der ins Strudeln geratenen Investmentbank Bank Bear Stearns gegeben hat, mildert die Lasten der Banken auf direktem Wege.
400 Milliarden Dollar sind etwa ein Drittel der Eigenkapitalsumme des amerikanischen Bankensystems. Wenn die Schäden wirklich solche Ausmaße annehmen sollten, werden die Banken zu massiven Reaktionen gezwungen sein. Die Banken müssen, wenn sie nicht ihr Rating aufs Spiel setzen wollen, in Proportion zu dem verloren gegangenen Eigenkapital ihre Kreditgewährung zurückfahren. Es droht eine empfindliche Kreditklemme der amerikanischen Wirtschaft, die eine Verminderung der Investitionen erzwingt. Auch mit einer laxeren Geldversorgung ist dagegen nichts zu machen.
Dabei ist die amerikanische Konjunktur ohnehin schon im Keller. Das letzte Quartal des Jahres 2007 brachte auf Jahresbasis gerechnet nur noch 0,6 Prozent Wachstum. Zwar hat der Internationale Währungsfonds zuletzt für Amerika ein Plus von 1,5 Prozent für 2008 vorausgesagt, aber das ist praktisch Jahresmitte gegen Jahresmitte gerechnet. Da der Löwenanteil dieses Wachstums im Jahr 2007 schon passiert ist, ist die Zahl mit einem Nullwachstum für drei Quartale kompatibel, was nach US-Definition hart an der technischen Grenze zur Rezession ist. Der Auslöser der ganzen Misere ist bekanntlich der Einbruch der Hauspreise für Privatimmobilien. Er hat sich am aktuellen Rand noch weiter beschleunigt. Im Jahr 2007 hat der Preisrückgang gemessen am Case-Shiller-Index bei 4,4 Prozent gelegen. Rechnet man die Preiseinbuße vom letzten verfügbaren Monat Januar auf das Gesamtjahr 2008 hoch, so ist in diesem Jahr mit einem weiteren Rückgang um rund 20 Prozent zu rechnen. Viele Amerikaner werden so in die Überschuldung getrieben, was ihre Banken in Schwierigkeiten bringt. Da die Hausbesitzer zur Begleichung ihrer Hypothekenschulden auf Konsumentenkredite ausweichen, kommen auch jene Banken in Schwierigkeiten, die sich auf Privatkredite spezialisiert haben.
Das Hauptproblem für die Konjunktur liegt freilich nicht bei den Banken und möglichen Rückwirkungen auf deren Kreditgewährung an private Investoren, sondern beim privaten Konsum. Die Amerikaner haben jahrelang kaum gespart. Sie konnten sich darauf verlassen, dass sie auch so reicher wurden, weil ihre Häuser an Wert gewannen. Das hat sich nun geändert. Wer Vermögen fürs Alter bilden will, muss selber sparen, indem er den Gürtel enger schnallt, und das ist Gift für die Konjunktur. Und wer gar überschuldet ist, den zwingen die Banken zur Verringerung der privaten Konsumnachfrage. Der monatlich erhobene Michigan-Index für das Konsumentenvertrauen, der als einer der wichtigsten Frühindikatoren der US-Wirtschaft gilt, befand sich im März auf dem niedrigsten Stand seit Februar 1992; er lag viel niedriger als beispielsweise nach dem Anschlag auf das World Trade Center im Jahr 2001 oder während des Irak-Krieges. Auch der CESifo WES Index für die USA ist im ersten Quartal auf den niedrigsten Stand seit 1991 gefallen.
Die Weltwirtschaft bekommt diese Entwicklung zu spüren. Nachdem sie vier Jahre lang mit Raten von etwa fünf Prozent gewachsen ist und damit seit 1970 alle Rekorde gebrochen hat, wird sie in diesem Jahr nur noch um etwa vier Prozent wachsen. Das ist noch lange keine Rezession, aber doch eine Flaute. Lage- und Erwartungskomponente des CESifo WES Index für die Welt sind dem gemäß stark gefallen.
Manche sagen, China könne den Ausfall der USA für die Weltwirtschaft kompensieren. Aber das ist eine Illusion, denn erstens erzeugt China gerade einmal fünf Prozent des Sozialprodukts der Welt, und zweitens ist das Land extrem von Amerika abhängig. Etwa 21 Prozent der Exporte Chinas gehen in die USA. Ähnlich ist es mit der EU, die 23 Prozent ihrer Außenexporte an die USA verkauft. In der globalisierten Welt hängt alles von allem ab. Wenn mit den USA ein Wirtschaftsblock für die Konjunktur ausfällt, der für 28 Prozent der Wirtschaftsleistung der Welt steht, dann sind alle betroffen.
Auch Deutschland muss sich jetzt warm anziehen, denn der teure Euro ist für die Exporteure ohnehin schon ein Problem. Bremsspuren beim Export und den Investitionen sind sichtbar, auch wenn sich der ifo-Geschäftsklimaindex wacker behauptet und sich der Arbeitsmarkt dank der Agenda 2010 teilweise vom konjunkturellen Geschehen abgekoppelt hat. Die Rolle rückwärts, die die Politik unter dem Druck der Linken derzeit vollzieht, gepaart mit dem weltwirtschaftlichen Abwärtstrend, ist das Rezept für die Rückkehr zur Stagnation.
Hans-Werner Sinn ist Präsident des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung und Direktor des Center for Economic Studies (CES) der Ludwig-Maximilians-Universität in München