Ifo-Chef Sinn warnt vor voreiligen Konjunkturprogrammen
Das Münchener Ifo-Instituterfasst regelmäßig die konjunkturelle Stimmung. Ifo-Chef Hans-Werner Sinn sprach mit SZ-Mitarbeiter Ralf Müller über die Rezession und Ihre Folgen für die Wirtschaft
Herr Prof. Sinn, Sie deuteten kürzlich an, man werde die Rezession schon bald nicht nur in Teilbereichen der Wirtschaft spüren. Also bald Rezession auf breiter Front?
Sinn: So ist das. Die Rezession fängt ja gerade erst an. In Frühindikatoren wie dem Ifo-Index hat sie sich zwar schon seit einem dreiviertel Jahr sehr deutlich angekündigt, aber wir stehen immer noch erst am Beginn einer wirtschaftlichen Flaute, die sich im nächsten Jahr weiter auswachsen und alle großen Wirtschaftsbereiche erfassen wird.
In Deutschland ist man stolz auf den erheblichen Abbau der Arbeitslosigkeit. Wird sie jetzt wieder aufgebaut bis hin zu den fünf Millionen, die wir ja schon einmal hatten?
Sinn: Sie wird jetzt sehr rasch wieder ansteigen. Ich hoffe nicht, dass sie auf fünf Millionen ansteigt, denn wir sind durch die Hartz-IV-Reformen am Arbeitsmarkt besser aufgestellt als bei der früheren Flaute. Ich könnte mir vorstellen, dass es nicht so weit kommt wie früher. Diese Wirtschaftskrise hat es allerdings in sich. Sie könnte weltweit gravierendere Ausmaße annehmen als die Wirtschaftskrise der Jahre 2001 bis 2005.
Und was ist mit Konjunkturprogrammen?
Sinn: Die Regierungen sollten Gewehr bei Fuß stehen und echte Konjunktur-Programme mit Steuersenkungen und Infrastrukturinvestitionen entwickeln, diese aber jetzt noch nicht anwenden, sondern abwarten, bis das Feuer zu erlöschen droht. Konjunkturprogramme sind immer nur Strohfeuer. Sie haben eine nützliche Funktion, um das Feuer wieder in Gang zu bringen, wenn es zu erlöschen droht. Aber im Moment ist das noch nicht der Fall. Die Arbeitslosigkeit ist derzeit auf dem niedrigsten Stand seit 16 Jahren. Wenn man die Konjunkturprogramme bereits jetzt aktiviert, fehlt das Stroh, wenn man es braucht. Aber vorbereiten würde ich es.