Es ist nicht nur der biedermännische Backenbart, der Hans-Werner Sinn, Deutschlands bekanntesten Volkswirt, mit Kapitän Ahab, dem legendären Walfänger aus dem Roman "Moby-Dick", verbindet. Es ist auch die enorme Fähigkeit, den eigenen Kampf gegen das vermeintlich Böse groß zu inszenieren.
Sinn tut das in Talkshows, Ahab auf dem Walfängerschiff "Pequod". Und wenn jemand Sinns trotzigen Anspruch auf die absolute Wahrheit kritisiert, dann reagiert der Präsident des Münchner ifo Instituts in etwa so, wie es Ahab im Film in den Meereswind rief: "Wie können Sie zu mir von Vermessenheit sprechen, ich würde sogar die Sonne angreifen, wenn sie mir was zuleide täte." Der Kapitän jagt den weißen Wal, der Professor die Bundeskanzlerin.
Vergangene Woche schrieb er gemeinsam mit 171 Ökonomen einen offenen Brief - natürlich gleich ans ganze Volk, darunter macht es der blitzgescheite Mann nicht. "Liebe Mitbürger", beginnt das Pamphlet staatstragend.
Der Inhalt: Kanzlerin Angela Merkel habe sich auf dem vergangenen EU-Gipfel eine Bankenunion aufzwingen lassen. Das sei unser aller Ruin, weil die Banken Schulden in Billionenhöhe hätten, die noch unsere Nachkommen begleichen müssten.
Die Analyse des Bestsellerautors ("Ist Deutschland noch zu retten?", "Kasino-Kapitalismus") enthält manche Wahrheit - in der Zuspitzung entsteht aber auch Unsinn: etwa dass eine Bankenunion mit Kollektivhaftung beschlossen wurde.
Vielmehr geht es vor allem um eine gemeinsame Bankenkontrolle.
Sinn und seine Mannen schüren Ängste, um sich Gehör zu verschaffen. Deshalb werden sie zu Recht kritisiert. Aber vieles in der Volkswirtschaft ist eher Ansichtssache als Wissenschaft. Ein alter Scherz lautet: Zwei Ökonomen können sich einen Nobelpreis teilen, obwohl sie völlig gegenteiliger Meinung sind.
Man muss dem gebürtigen Westfalen Sinn zugutehalten, dass er aus Volkswirtschaft Hausmannskost gemacht hat.
Wenn er in den Talkrunden von Jauch – Will – Plasberg – Maischberger – Illner die großen Bögen zum Euro schlägt, haben Zuschauer leicht das Gefühl: Der Mann hat recht! Sinn ist maximal medientauglich und scheut kaum ein Thema. Der Naturschutzbund nennt ihn wegen seiner Alles-Quatsch-Haltung zur Energiewende einen "Dampfplauderer mit egoistischem Sendungsbewusstsein".
Ahab ging in den Fängen des tobenden Wals unter. Sinn, 64, wird sicher auch in einer Post-Merkel-Ära ungestüm weiterschäumen.