Die Lehren aus der griechischen Tragödie

Autor/en
Hans-Werner Sinn
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 03.07.2015, S. 16.

Enttäuschte Hoffnungen, hoch schlagende Emotionen, Beschimpfungen, Streit und Spannungen sind das Ergebnis der Griechenland-Krise, der größten Krise, die die Europäische Union bislang erlebt hat. Das vermeintliche Friedensprojekt Euro hat Europa Unfrieden gebracht.

Es ist zu billig, den Eklat moralisch zu interpretieren, obwohl jede Seite das gegenüber ihrer Bevölkerung versucht, um politisch bestehen zu können. In Wahrheit ist die Krise auch dann nicht lösbar, wenn die griechische Bevölkerung im geplanten Referendum die Annahme der Vorschläge der Troika beschließt, denn Griechenland könnte wegen seines Importüberschusses von 2,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts selbst dann nicht im Euro überleben, wenn ihm alle Auslandskredite erlassen würden. Das Land war in der inflationären Kreditblase, die der Euro hervorrief, viel zu teuer geworden und muss nun wesentlich billiger werden, um auf eigenen Beinen stehen zu können. Das wird es im Euro nicht schaffen.

Das Land hat seine Preise während der Krise bereits um 8 Prozent gegenüber dem Rest der Eurozone gesenkt, indem es Sparmaßnahmen einleitete. Aber das ist erst ein Drittel des nötigen Weges, und mehr geht kaum. Massenkonkurse der überschuldeten Privathaushalte und Unternehmen, verbunden mit einem weiteren Zuwachs der heute schon unerträglichen Arbeitslosigkeit wären die Folge, wollte man eine Lösung im Euroverbund suchen. So gesehen führt über kurz oder lang an einem temporären Austritt Griechenlands aus dem Euro und einer Währungsabwertung auch dann kein Weg vorbei, wenn die griechische Bevölkerung das Angebot der Troika annehmen und die Regierung von Alexis Tsipras aus dem Amt jagen sollte.

Da fast alle der siebzig Länder, die nach dem Krieg in den Konkurs gingen und dann abwerteten, nach ein bis zwei Jahren zu wachsen begannen, besteht Grund für die Hoffnung, dass die griechische Volkswirtschaft nach einem Austritt und einer Rückkehr zur Drachme gesunden kann. Wer den Grexit aufschiebt, verwehrt der griechischen Bevölkerung eine Chance und provoziert die Wiederholung der Krise.

Ungeachtet des weiteren Verlaufs der Krise ist es nun an der Zeit, aus ihr Lehren zu ziehen, um Anhaltspunkte für durchgreifende Reformen des Eurosystems zu gewinnen, die Ähnliches in Zukunft vermeiden. Dazu muss man verstehen, wie es zu der Krise kam. Alles hat mit den Zinsen und der fehlenden Selbstkontrolle der Kapitalmärkte zu tun, die durch politische Aktionen außer Kraft gesetzt wurden.

Aus der Sicht der südeuropäischen Länder und Frankreichs war der Euro als eine Einrichtung geplant, die die angebliche Diskriminierung aufgrund hoher Zinsforderungen der internationalen Anleger beseitigen und allen Ländern ähnlich niedrige Zinsen wie Deutschland verschaffen sollte. Das Ziel wurde durch eine scheinbar stabile Konstruktion des Eurosystems und regulatorische Besonderheiten erreicht. Viel Investitionskapital wurde daraufhin über die Banken in die Staatsapparate und Immobiliensektoren Südeuropas gelenkt. Es entstand eine Wirtschaftsblüte, die zu kühnsten Hoffnungen Anlass bot. Doch in Wahrheit handelte es sich um eine Scheinblüte, eine inflationäre Wirtschaftsblase, die die Länder Südeuropas überteuerte und sie ihrer Wettbewerbsfähigkeit beraubte. Das viele Kapital, das aus dem Ausland hereinströmte, wurde nicht immer sinnvoll investiert. Viel Kapital wurde von Staatsbediensteten aufgegessen oder in heute brach liegenden Immobilienprojekten vernichtet. Die Eurozone wurde zu der am langsamsten wachsenden Großregion der Welt, obwohl ihr südeuropäischer Teil boomte.

Die Blase platzte, als die amerikanische Wirtschaftskrise nach Europa überschwappte und die Banken sich einer Fortführung der Finanzierung verweigerten. Zurück blieben verstümmelte Torsi einst funktionierender Wirtschaftssysteme, die sich an den steten Tropf neuer Auslandskredite gewöhnt hatten und nicht mehr selbständig funktionierten.

Mehr noch als andere Länder half sich Griechenland nach dem Platzen der Blase selbst, indem es sich das Geld druckte, das es sich nicht mehr leihen konnte. Refinanzierungskredite der griechischen Notenbank machten die schmerzlichen Reformen entbehrlich, die heute nicht mehr zu vermeiden sind. In der Zeit vom Beginn des ersten Krisenjahres bis zum Frühjahr 2010 finanzierte Griechenland seine riesigen Leistungsbilanzdefizite vollständig mit der Druckerpresse und verdrängte so die Krise. Während überall sonst die Zeichen auf Sturm standen, wuchsen die Löhne der griechischen Staatsbediensteten noch um ein Fünftel.

Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) ermöglichte die Sonderkredite aus der Druckerpresse, indem er die Mindestqualitäten für Pfänder, die Banken bei ihren Notenbanken für den Bezug der Kredite hinterlegen mussten, fortwährend senkte. Mehr als 90 Milliarden Euro hatte sich Griechenland vom Anfang des Jahres 2008 bis zum Mai des Jahres 2015 über das Normalmaß hinaus elektronisch drucken dürfen, um sein Zahlungsbilanzdefizit mit dem Ausland zu finanzieren. Weitere 15 Milliarden Euro waren über das Normalmaß hinaus physisch gedruckt worden. Beides hatte die griechische Zentralbank ins Obligo gegenüber dem Rest des Eurosystems gebracht. Die EZB bekam bei dieser Politik freilich Angst vor der eigenen Courage, denn was sie als temporäre Maßnahme zur Bewältigung der Lehman-Krise gemeint hatte, drohte zur Dauerfinanzierung zu werden. Deswegen beschloss sie im Frühjahr 2010, im Rahmen ihres SMP-Programms Staatspapiere der Krisenländer auch durch die Notenbanken der noch gesunden Länder kaufen zu lassen, und bedrängte die Politik, die Rettung der Krisenländer mit fiskalischen Programmen fortzusetzen. Bis Ende Mai 2015 hat Griechenland einschließlich der Kredite aus dem EZB-System und des IWF und abzüglich seiner Eigenbeiträge und Tilgungen 332 Milliarden Euro an öffentlichen Krediten von der Staatengemeinschaft erhalten. Das waren 185 Prozent des griechischen Bruttoinlandsprodukts von 2014.

Es ist eine tragische Fehleinschätzung der griechischen Regierung, die Auflagen, die mit einem Teil dieser Kredite verbunden waren, als Austeritätspolitik zu begreifen, denn die Austerität kam nicht von den anderen Ländern, sondern von den internationalen Kapitalmärkten, die Griechenland seit 2008 nicht mehr zu finanzieren bereit waren. Die anderen Länder haben die Austerität demgegenüber gemildert, indem sie dem Land in Relation zur Wirtschaftsleistung mehr Kredit zur Verfügung gestellt hatten, als ein Land jemals zuvor in Friedenszeiten von anderen Ländern erhalten hat. So hatte zum Beispiel der Marshall-Plan Deutschland in der Summe der Jahre nur Kredite im Umfang von 5,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts des Jahres 1952 gewährt. So gesehen, hat Griechenland schon das Äquivalent von 36 Marschall-Plan-Hilfen erhalten.

Die Fehleinschätzung betrifft auch das letzte Angebot der Eurofinanzminister und des Internationalen Währungsfonds (IWF), über das nun bei einer Volksabstimmung entschieden werden soll, obwohl es schon zurückgezogen wurde. In Griechenland ist man empört über die vom IWF verlangten Rentenkürzungen und will nicht einsehen, dass man auch mit diesen Kürzungen noch immer weit über seinen Verhältnissen leben würde. Im Jahr 2014 lag die Summe aus dem privaten und öffentlichen Konsum bei 114 Prozent des griechischen Netto-Nationaleinkommens. Um unter 100 Prozent zu kommen, sind sehr viel größere Einschränkungen nötig als das, was man Griechenland zumutet.

Die griechische Position ist psychologisch verständlich, denn ein einmal erreichter Lebensstandard wird von der Bevölkerung als Besitzstand angesehen, der nun verbissen verteidigt wird. Dass dieser Standard nur durch ein "Leben auf Pump" zustande kam, verstehen die meisten Griechen nicht, Auch bei uns fehlt es großen Teilen der politischen Klasse an der Einsicht. Wahrnehmung und Wirklichkeit klaffen meilenweit auseinander, wie es in der Regel der Fall ist, wenn Einkommen über politische Mechanismen, statt über Marktprozesse zustande kommen.

Damit sich die griechische Tragödie nicht wiederholt, ist es erforderlich, von vornherein und auch im Verlauf einer Krise härtere Budgetbeschränkungen im Eurosystem zu verwirklichen, als es bislang der Fall war. Es muss allen Beteiligten rechtzeitig klargemacht werden, wo die Grenzen der Kreditaufnahme im Gemeinschaftssystem liegen, damit es gar nicht erst zur Gewöhnung an die Hilfen von außen kommt. Nur die rechtzeitige Beschränkung übertriebener Forderungen kann den griechischen Unfall vermeiden.

Die Politik hat gemeint, diese Beschränkung könnte durch den 1996 beschlossenen Stabilitäts- und Wachstumspakt sowie den Fiskalpakt aus dem Jahr 2012 implementiert werden. Beide Schuldengrenzen erwiesen sich jedoch als viel zu schwach, um den Anreizen der günstigen Finanzierungskonditionen widerstehen zu können, die durch den Euro geschaffen wurden. In Wahrheit sind ganz andere Maßnahmen vonnöten.

Zunächst einmal ist die Bankenregulierung zu ändern, denn der exzessive und inflationäre Kapitalfluss, der Griechenland seiner Wettbewerbsfähigkeit beraubte, kam maßgeblich auch dadurch zustande, dass die EU den Banken Europas die Möglichkeit gegeben hatte, abweichend vom Basler Regulierungssystem, zwei verschiedene Ansätze zur Eigenkapitalregulierung zu mischen und sich die attraktivsten Elemente zusammenzustückeln. So wurde den Banken erlaubt, auch dann Risikogewichte von null für den Erwerb von Staatspapieren anzusetzen, wenn sie statt des Standardansatzes ihre eigenen mathematischen Risikomodelle verwendeten. Damit wurde es ihnen möglich, ihre Bilanzen mit Staatspapieren vollzupacken und übermäßig viel Kapital an die Staaten der Krisenländer zu verleihen. Diese Regelung muss dringend aufgehoben werden. Staatspapiere sollten stets mit so viel Eigenkapital unterlegt werden, wie Banken auch für die Kreditvergabe an normale Unternehmen benötigen. Dann steht den Staaten weniger Kapital zur Verfügung.

Die zweite Maßnahme betrifft eine Konkursordnung für Staaten. Während der Maastrichter Vertrag (Artikel 125 AEUV) eindeutig sagt, dass die Gläubiger eines Staates im Falle des Konkurses ihr Geld nicht wiederbekommen, weil es keinen Bail-out durch die Steuerzahler geben soll, hat die EU es versäumt, dieser Regelung Taten in Form konkreter Richtlinien für die Abwicklung eines überschuldeten Staatswesens zu schaffen. Stattdessen hat sie die Kapitalmärkte ganz im Gegenteil in ihrer Illusion bestärkt, dass jeder Eurostaat fortwährend solvent sei.

Dieses Versäumnis kam einer Bestandsgarantie gleich und hat die Märkte beruhigt, so dass sie auf Zinsaufschläge für überschuldete Staaten verzichteten. Die niedrigen Zinsen entlasteten die Schuldnerstaaten, veranlassten sie aber, sich im Übermaß zu verschulden, was zu der beschriebenen inflationären Überhitzung führte. Für die Stabilität des Eurosystems ist es dringend erforderlich, die Eigenverantwortung der Anleger zu stärken, indem ihnen glaubhaft klargemacht wird, dass sie ihr eigenes Geld riskieren, wenn sie überschuldeten Staaten immer mehr Kredite gewähren. Dazu bedarf es nun eines Regelsystems für Schuldenerlasse und Staatskonkurse als Ersatz für Rettungssysteme, die über bloß temporäre Liquiditätshilfen hinausgehen.

Noch viel wichtiger ist es freilich, die EZB in die Schranken zu weisen und ihre Möglichkeiten, als Kreditversicherer für Staaten und Banken tätig zu werden, wirksam zu beschränken. Sicher, die unbegrenzte Feuerkraft, über die die EZB im Euro verfügt, verhindert spekulative Attacken auf Staaten und Bankensysteme. Aber sie erzeugt eine künstliche Investitionssicherheit, die den Zinsmechanismus außer Kraft setzt und Schuldenexzesse beim Staat und den Privaten ermöglicht und fördert. Bei der Abwägung zwischen der Immunisierung eines Finanzsystems gegenüber Finanzattacken und gegenüber politischem Missbrauch sollte man nicht nur einseitig auf die erste dieser beiden Gefahren achten.

Eine Zentralbank darf in der Krise den Banken mit eigenen Krediten beispringen, um Liquiditätsengpässe zu vermeiden. Sie darf aber keine Solvenzrisiken übernehmen. Wenn sie es doch tut, verfälscht sie die Marktzinsen und ermöglicht Verschuldungsexzesse. Die EZB hat in den Jahren 2008 und 2009, während der Lehman-Krise, vieles getan, was man im Sinne einer Bekämpfung von Liquiditätsrisiken interpretieren kann, doch war schon damals ein darüber hinausgehender Insolvenzschutz in ihren Maßnahmen angelegt, wie die Finanzierung des griechischen Leistungsbilanzdefizits in dieser Phase belegt.

Es ist zu bezweifeln, dass es richtig war, ab dem Mai 2010 für 223 Milliarden Euro Staatspapiere von Krisenländern zu erwerben — und im Rahmen des OMT-Programms sogar noch anzukündigen, dass man diese Politik in Zukunft notfalls unbegrenzt fortsetzen würde, was die Märkte zu Recht als kostenlose Kreditausfallversicherung interpretierten. Das hat nicht nur die Rücktritte des Bundesbankpräsidenten Axel Weber und des Chefvolkswirtes der EZB, Jürgen Stark, provoziert, sondern auch das deutsche Verfassungsgericht veranlasst, eine Mandatsüberschreitung zu vermuten, eine Meinung, die der Europäische Gerichtshof bekanntlich nicht teilt.

Wie auch immer das juristische Gerangel ausgeht: Aus ökonomischer Sicht ist das OMT-Programm nicht zu vertreten, weil es die Selbstkontrolle des Kapitalmarktes gegenüber einer überzogenen Staatsverschuldung außer Kraft setzt, indem es das Anlagerisiko auf die Steuerzahler abwälzt. Unter dem Schutz des OMT führt eine Überschuldung nicht mehr zu einer Zinserhöhung. Deshalb blockiert das OMT den Mechanismus, durch den Schuldner diszipliniert werden. Hoffentlich wird es vom deutschen Verfassungsgericht gekippt. Das Gericht könnte dabei auf die Vereinigten Staaten verweisen. Dort rührt die Zentralbank die Staatspapiere der Einzelstaaten nicht an, eben weil man dort auf die Selbstkontrolle und Selbsthaftung der Anleger setzt.

Als besonders problematisch hat sich die asymmetrische Vergabe von Refinanzierungskrediten erwiesen. Sie hatte in den Jahren 2012 und 2013 dazu geführt, dass es in Deutschland überhaupt kein Geld mehr gab, das durch Kredite der Bundesbank an die deutschen Banken entstanden war. Während die Krisenländer damals um die 1000 Milliarden Euro mehr an Kreditgeld ausgegeben hatten, als für die eigene Liquiditätsversorgung nötig war, zirkulierte in Deutschland nur noch Überweisungsgeld.

Die asymmetrische Kreditversorgung aus der lokalen Druckerpresse hat die Kapitalmärkte beruhigt, weil mit ihr der Steuerzahler bereits so weit an die Angel genommen wurde, dass den Parlamenten der Eurozone nichts anderes übrig blieb, als fiskalische Rettungskredite nachzuschieben. Doch wurden die Parlamente damit zu bloßen Erfüllungsgehilfen des EZB-Rates degradiert. Was manche als Garanten der Stabilität feierten, erwies sich als demokratisch nicht hinreichend legitimierte Rettungsmaschinerie, die das Sparkapital auch dann noch in die Immobilien und Staaten Südeuropas lenkte, als die Märkte schon längst erkannt hatten, dass damit Fehlinvestitionen finanziert wurden.

Nicht nur die Fehlinvestitionen waren das Problem. Schwerer noch wog, dass durch die von der EZB erzwungenen fiskalischen Rettungsaktionen die Staaten der Eurozone zu Schuldnern Griechenlands wurden und deshalb in die Schusslinie gerieten. Der Zorn der Regierung Tsipras, der sich ohne diese Aktionen gegen anonyme Gläubiger aus aller Welt hätte richten müssen, wurde so auf die deutsche Regierung gerichtet, die nun ihr größter Gläubiger war. Das hat maßgeblich zum Streit zwischen Deutschland und Griechenland beigetragen.

Die asymmetrische Kreditversorgung mit der Druckerpresse hat im Übrigen bedeutet, dass die Bemühungen der Troika um einen Kompromiss mit Griechenland unterlaufen wurden, denn während man verhandelte, verschuldeten sich die Griechen bei ihrer Notenbank, um immer mehr Geld ins Ausland zu bringen. Als die Troika um die Freigabe läppischer 7,5 Milliarden Euro aus dem Rettungspaket rangelte, durfte sich die griechische Notenbank 90 Milliarden Euro an Ela-Krediten genehmigen. Deshalb hatte es die griechische Regierung überhaupt nicht eilig, zu einer Vereinbarung zu kommen, ganz im Gegenteil: Durch die Finanzierung der Kapitalflucht mit der Druckerpresse gelang es den Griechen in ihrer Gesamtheit, Auslandsvermögen aufzubauen, das man ihnen nach einem Austritt nicht würde nehmen können, und ihren Drohpunkt für die Verhandlungen der Sparmaßnahmen zu verbessern. Die für eine Blockade der Ela-Kredite nötige Mehrheit von zwei Dritteln des EZB-Rates kam erst am vergangenen Sonntag zustande, nachdem die Finanzminister der Eurozone den Konkurs des Landes mit der Rücknahme ihres Angebots unausweichlich machten.

Um Ähnliches für die Zukunft auszuschließen, sollte man eine laufende Tilgung der Verbindlichkeiten zwischen den Zentralbanken vereinbaren, die durch den asymmetrischen Gelddruck entstehen. Das würde den leichtfertigen Rückgriff auf die nationale Druckerpresse zur Lösung der eigenen Finanzprobleme verhindern. In den Vereinigten Staaten mussten die zwölf Distrikt-Notenbanken solche Verbindlichkeiten bis zum Jahr 1975 regelmäßig durch die Übertragung von Goldreserven tilgen. Heute werden die Verbindlichkeiten zwischen den Distrikt-Notenbanken der Vereinigten Staaten durch die Übertragung von Eigentumsrechten am gemeinsamen Portfolio der im Zuge von Offenmarktgeschäften erworbenen Wertpapiere getilgt.

Dass man sich in der Eurozone das Geld zum Leben drucken darf, wenn man es sich nicht am Markt leihen kann, und dabei bloß Verbindlichkeiten aufbaut, die niemals fällig gestellt werden können, ist einer der wesentlichen Gründe dafür, dass es Griechenland gelang, die Staatengemeinschaft vorzuführen. Das darf sich nicht wiederholen.

Hans-Werner Sinn hat kürzlich seine Nachfolge an der Spitze des ifo Instituts in München geregelt. Als Präsident wird ihm Clemens Fuest im April 2016 folgen. Doch Sinns Gewicht und Einfluss als Ökonom hängen längst nicht mehr am Institut. Die Debatte über die Euro-Krise wäre ohne ihn eine andere. Sinns datenbasierte Analysen, für die er anfangs oft angefeindet wurde, haben vielen die Augen geöffnet für die enormen Haftungsrisiken, die die Retter gerade im Fall Griechenlands eingegangen sind. Dass das Geld verloren ist, glaubt mittlerweile nicht nur Sinn. Er arbeitet jetzt daraufhin, dass die Politik Lehren aus dem Debakel zieht.