Nachdem die Einigung mit Griechenland am Vormittag des 13. Juli zustande gekommen war, fielen sich François Hollande und Alexis Tsipras in die Arme, während Angela Merkel als der begossene Pudel dastand. Wenn es hart auf hart kommt, setzt sich der französische Präsident eben durch und bestimmt die Marschrichtung in Europa. Die Euro-Zone bleibt eine "French affair with German money", wie es ein CNN-Reporter einmal ausdrückte.
Höchste Gefahr bestand für das französische Mare Nostrum, als Yanis Varoufakis am Abend nach dem gewonnenen Referendum in der Regierung ein Plädoyer für den Grexit hielt. Monatelang hatten seine Leute an einem Plan für eine griechische Parallelwährung gearbeitet, und den wollten sie jetzt umsetzen. Doch damit lief er bei Tsipras auf. Der petzte in Paris, binnen Stunden trat Varoufakis zurück.
Es erging Varoufakis ähnlich wie Ministerpräsident Papandreou, den Sarkozy im Herbst 2011 aus seinem Amt gejagt hatte, weil auch er für den Fall des Scheiterns eines Referendums den Austritt erwogen hatte.
Dass Varoufakis aktiv am Plan B arbeitete, ahnte ich schon lange. Zu offenkundig war es, dass Griechenland im Euro niemals auf einen grünen Zweig kommen würde. Mit Löhnen von knapp 15 Euro pro Stunde liegt das Land beim Drei- bis Fünffachen der Löhne der Nachbarländer Rumänien, Bulgarien und Türkei. Durch die inflationäre Kreditblase, die der Euro hervorgerufen hatte, waren die griechischen Produkte viel zu teuer geworden. Ein hartnäckiger Importüberhang und eine nicht mehr beherrschbare Massenarbeitslosigkeit waren die Folgen.
Die Vorstellung, die griechische Wettbewerbsschwäche ließe sich durch ein Produktivitätswunder, nominelle Lohnkürzungen oder mehr Geld überwinden, ist nachgerade absurd. Nur der Austritt nebst Abwertung aller Löhne, Preise, Mieten und Kreditkontrakte hätte eine sozial verträgliche Herabstufung der Ansprüche auf das mit der Produktivität des Landes kompatible Niveau ermöglicht und Griechenland wettbewerbsfähig machen können. Kombiniert mit einer Abwicklung der alten Auslandsschulden nach den Regeln des Pariser Clubs, hätte man die Reset-Taste drücken und dem Land einen wirtschaftlichen Neuanfang ohne neue Auslandskredite ermöglichen können.
Dass nicht nur linke Ökonomen wie Joseph Stiglitz und Paul Krugman, sondern auch Wolfgang Schäuble und seine Experten im Finanzministerium den Austritt nebst Schuldenschnitt für die bessere Lösung hielten, hatte beim französischen Establishment in Paris und Brüssel blankes Entsetzen hervorgerufen. Nun setzte man alles auf eine Karte und zwang Deutschland beizudrehen. Wenn sie nicht den Bruch mit Frankreich riskieren wollte, musste Angela Merkel nachgeben. Im Jahr 2010 hatte Sarkozy die Rettungsschirme mit der Drohung erzwungen, Frankreich würde andernfalls aus dem Euro austreten. Irgendwann wird man erfahren, wie weit Hollande ging.
Tsipras kam bei all dem nicht schlecht weg. Statt der 53 Milliarden Euro, von denen noch beim Referendum die Rede war, kann er nun 86 Milliarden Euro nach Hause bringen, immerhin ein halbes Bruttoinlandsprodukt. Auch wenn von dem Geld circa 50 Milliarden Euro für die Rückzahlung von Schulden beim IWF und der EZB gedacht sind, bleiben ihm 36 Milliarden Euro für sein Budget und die Wiederauffüllung der Konten, die die Griechen bei ihren bankrotten Banken unterhalten, immerhin 3200 Euro pro Staatsbürger. Das sind weitere zehn Prozent zu dem hinzu, was bislang schon an öffentlichen Krediten geflossen war (30100 Euro pro Bürger) - ein ordentlicher Zuschlag, mit dem man die nächsten drei Jahre bequem über die Runden kommt.
Die getroffenen Entscheidungen legen nun ein für allemal klar, dass sich die Euro-Zone zu einer Transferunion entwickeln wird, in der die nördlichen Länder die fehlende Wettbewerbsfähigkeit der südlichen Länder durch Abtretung eines Teils ihrer Einkommen kompensieren. Frankreichs Europamodell wurde gestärkt, und der Graben, den der Euro durch Mitteleuropa zieht, wurde vertieft. Polen und Tschechien werden nun vorerst ganz bestimmt nicht mehr beitreten, und Großbritannien wird sich vielleicht ganz abwenden. Aber das stört François Hollande nicht. Er hat durch seinen Erfolg Oberwasser bekommen und angekündigt, dass er nun auch eine Fiskalunion mit noch mehr fest institutionalisierten Nord-Süd-Transfers und einem eigenen Parlament für die Euro-Zone errichten möchte.