Wiesbaden hat gegen die Citybahn gestimmt. Und Frankfurt müsse daraus lernen, sagt der Gastronom : Stadt ohne Autos heiße Stadt ohne Lokale. Ein Gastbeitrag.
Der emeritierte Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn hat mehrfach postuliert, dass in der Post-Corona-Welt der Bedarf an öffentlichen Verkehrsmitteln dramatisch sinken werde. Die Prognose des Wirtschaftswissenschaftlers leuchtet ein: Wer will in Zukunft noch in überfüllten und miserabel belüfteten Bussen und Bahnen unterwegs sein? Zumal der UN-Biodiversitätsrat erst kürzlich prognostiziert hat, dass es in Zukunft sehr wahrscheinlich häufiger zu globalen Pandemien kommen wird. Die Menschen wollen deshalb verständlicherweise wieder in der geborgenen Sicherheit ihres eigenen Autos Platz nehmen. Dass diese Vorhersage zutrifft, zeigt sich an dem unlängst in Wiesbaden durchgeführten Bürgerentscheid zur sogenannten Citybahn: Die große Mehrheit der Wähler hat sich klar gegen den Bau eines öffentlichen Straßenbahnsystems ausgesprochen. Trotzdem scheut die Stadt Frankfurt auch weiterhin keine Kosten und Mühen, die kaufkräftige Autofahrerklientel aus der Stadt zu vergrämen. Mit dieser Strategie verdrängt und verlagert man allerdings Kaufkraft in das steueroptimierte Internet und in die Discounter-Outlets der Umgebung. Auch sorgt eine solche Verkehrspolitik natürlich dafür, dass Städte mittelfristig veröden werden. Selbst unser Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hat diesen Trend erkannt und fordert, dass Innenstädte ihren Einzelhandels-Leerstand mit Gastronomie auffüllen sollen. Diese Idee ist allerdings nicht konsequent zu Ende gedacht.
Durch die hochriskante und demütigende Überbürokratisierung und die absolut destruktive und marktverzerrende Fiskalpolitik der deutschen Regierung konnte man schon vor der Corona-Krise keinem seriös arbeitenden Wirt mehr raten, in der ethisch geführten Speisegastronomie zu gründen. Warum sollten nun Gastronomen ausgerechnet in den verwaisten No-go-Areas der maroden Innenstädte zukünftig Restaurants eröffnen? Außerdem ist ein vitales urbanes Leben eine fragile Symbiose aus Einzelhandel, Kultur und Gastronomie. Entfernt man einen Baustein aus dieser Gleichung, kollabiert das gesamte System.
Um eine Verödung der Städte effizient zu verhindern, müsste jetzt mutig über neue Wege- und Parkkonzepte nachgedacht werden. Christoph Mäckler, Direktor des Deutschen Instituts für Stadtbaukunst, hat in diesem Kontext sogar angeregt, die Zeil und die Schillerstraße wieder für den Autoverkehr zu öffnen. Das würde sicherlich nicht nur die Ladenbesitzer begeistern, sondern bei einer klugen Umsetzung auch noch unzählige neue Parkplätze schaffen.
Bekanntlich leidet die Stadt durch die momentane Verkehrspolitik massiv unter einem künstlich produzierten Parkplatzsuchverkehr. Es werden dadurch Ressourcen verschwendet und unnötig Feinstaub- und Stickstoffoxid emittiert. Durch die Erschaffung neuer Parkmöglichkeiten könnte dieses Problem massiv verringert werden. Eine erfolgreiche Zukunft der Städte liegt bei einem smart orchestrierten und emissionsarmen Individualverkehr. Dabei müssen die Interessen von Bürgern, Gewerbetreibenden und Kulturschaffenden in harmonischen Einklang gebracht werden.
Wenn die Politik das Offensichtliche nicht erkennt und weiter den Konflikt zwischen den unterschiedlichen Interessengruppen schürt, steuern unsere Innenstädte unweigerlich in eine sehr dystopische Zukunft. Als gebürtiger Frankfurter, leidenschaftlicher City-Biker, überzeugter Local-Shopper, interessierter Museumsbesucher und glühender Lokalpatriot blutet mir das Herz angesichts der drohenden Katastrophe. Anstatt gigantische Unsummen in eine obsolet gewordene Verkehrswende zu vergeuden, sollten die Verantwortlichen lieber schleunigst die veränderte Situation neu evaluieren und die Gelder ab sofort in eine zukunftsorientierte Urbanisierung der Innenstadt investieren. Speziell die trostlose Triangel aus Hauptwache, Goetheplatz und Rathenauplatz hätte längst ein radikales Makeover verdient. Das verwahrloste und städtebaulich völlig wertlose Areal ist das Herz der City und dabei an Tristesse nicht zu übertreffen.
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