Bogenberger Erklärung und Target-Kredite der Deutschen Bundesbank

ifo Pressemitteilung, 30. März 2012

Mit der Bogenberger Erklärung haben die Kuratoren der ifo-Freundesgesellschaft und der Vorstand des ifo Instituts im Dezember 2011 eine Agenda-Liste vorgelegt, mit der sie das Ausufern der deutschen Haftung bei den Rettungsprogrammen der Staatengemeinschaft und die Aushebelung der Marktprozesse durch solche Programme verhindern wollte.

  • Die EZB wird auf die reine Geldpolitik beschränkt und gibt ihre Rolle als Lender of Last Resort auf. Hilfsprogramme sind Aufgabe demokratischer Gremien.
  • Die Verteilung der Stimmrechte und die Entscheidungsregeln im EZB-Rat werden revidiert.
  • Target-Schulden sind wie in den USA einmal jährlich mit zinstragenden, marktgängigen Vermögensobjekten zu bezahlen.
  • Der Rettungsschirm wird um einen klaren Krisenmechanismus und eine Insolvenzordnung ergänzt, die die Hilfsmaßnahmen der Staatengemeinschaft auf kurzfristige Liquiditätskredite und längerfristige Garantien nach laufzeitbezogenen Schuldenschnitten begrenzen.
  • Mittelfristig ist vorzusehen, dass Banken die erworbenen Staatspapiere mit Eigenkapital unterlegen und notfalls den Staat als Miteigentümer akzeptieren, wenn sie die dafür notwendige Rekapitalisierung aus eigener Kraft nicht schaffen.
  • Man muss hinnehmen, dass Länder, die nicht in der Lage sind, ihre Schulden zurückzuzahlen, aus der Währungsunion austreten.

In einer neuen Sonderausgabe des ifo Schnelldienstes konzentriert sich Prof. Hans-Werner Sinn, Präsident des ifo Instituts, auf den Aspekt der Target-Kredite, gibt einen Überblick über den Sachverhalt und fasst die neueste Datenlage zusammen. Mit einem Brief von Bundesbankpräsident Jens Weidmann rückt die Deutsche Bundesbank von ihrer früheren Position ab, dass es sich bei den Target-Salden um irrelevante statistische Restposten handelt, die eine normale Begleiterscheinung der Geldschöpfung im Europäischen Währungssystem sind. Die Bundesbank teilt nun die Besorgnis darüber, dass die Target-Salden zwischen den Zentralbanken sehr stark gewachsen sind, und befürchtet, dass die Notenbanken des Euroraums nicht in der Lage sein würden, mögliche Verluste zu tragen. Währenddessen verharrt die Bundesregierung auf dem Standpunkt, dass die Target-Salden keine Kredite sind. Dies widerlegt Sinn im aktuellen Schnelldienst.

Zu den weiteren Aussagen gehören:

  • Spaniens Auslandsschulden sind größer als die der anderen Krisenländer zusammen.
  • In Holland und Deutschland liegen die Target-Forderungen bei mehr als der Hälfte des Nettoauslandsvermögens.
  • Die Kapitalflucht aus Italien wurde mit Target-Krediten kompensiert, die mehr als das Leistungsbilanzdefizit der letzten vier Jahre ausmachen.
  • Das Sparvermögen der Deutschen besteht zu mehr als 13.000 Euro je Erwerbstätigen aus bloßen Target-Forderungen der Bundesbank. 
  • In den letzten vier Jahren hat Deutschland für seine Leistungsbilanzüberschüsse mit den Ländern des Euroraums nichts als Target-Forderungen der Bundesbank erhalten.

Nach Lage der Dinge kann das Finanzsystem der Eurozone mit seinen jetzigen institutionellen Strukturen politisch und ökonomisch nicht überleben, weil es den Kapitalmarkt zerstört und es einzelnen Ländern gigantische und in dieser Höhe nicht mehr tolerierbare Haftungsrisiken aus der Kreditversorgung anderer Länder aufbürdet, ohne dass die Parlamente zugestimmt hätten. Heute schon liegt die

Target-Forderung der Bundesrepublik Deutschland bei 547 Mrd. Euro. Wenn die mit der „Dicken Bertha“ gefüllten Einlagefazilitäten aktiviert und ferner die Pläne des EZB-Rates realisiert werden, im Umfang von 500 Mrd. Euro Unternehmenskredite als Pfänder zu akzeptieren, dann könnte bald das gesamte Nettoauslandsvermögen der Bundesrepublik für die erzwungene Kreditvergabe der Bundesbank an die peripheren Länder Europas verbraucht sein.

Die EZB-Politik bedeutet nicht nur, dass die deutschen Sparer ihrer normalen Zinsen beraubt werden und die Lebensversicherungen zunehmend in Schwierigkeiten geraten, ihre Garantieverzinsung herzubringen, sondern sie setzt Deutschland einem hohen Risiko aus, denn sollte der Euro zerbrechen, hat Deutschland eine Forderung gegen ein System, das es nicht mehr gibt. Und sollten einzelne Länder aus dem Euro austreten und in Konkurs gehen, trägt Deutschland anteilig zusammen mit den anderen verbleibenden Ländern die entstehenden Abschreibungsverluste aus den Target-Krediten.

Der Vorschlag, das US-System in Europa einzuführen (Target-Schulden sind wie in den USA einmal jährlich mit zinstragenden, marktgängigen Vermögensobjekten zu bezahlen.), bedeutet nicht den vollständigen Verzicht auf Target-Salden und auch nicht den Verzicht auf Hilfe für Länder, die sich in Schwierigkeiten befinden. Seine Realisierung würde aber die Selbstbedienung mit der Notenpresse beenden und sicherstellen, dass die Deutschen ihre Exporte nicht umsonst ausliefern.

Vor allem würde dieser Vorschlag die Erpressbarkeit Deutschlands bei den Entscheidungen über weitere Rettungsaktionen verringern. Heute weiß jeder, dass Deutschland jedem Rettungsprogramm zustimmen muss, weil es sonst seine wachsenden Target-Forderungen riskiert. Dieser Zustand ist für ein gedeihliches Zusammenleben der Länder unerträglich.

Publikationen

Sinn, Hans-Werner, "Die Target-Kredite der Deutschen Bundesbank", ifo Schnelldienst 65 (Sonderausgabe 21.03.2012), 2012, 03–34.

"Bogenberger Erklärung: Sechzehn Thesen zur Situation der Europäischen Währungsunion", ifo Schnelldienst 64 (23), 2011, 03–11.