Van Lanschot Lecture 2012 mit ifo-Präsident Hans-Werner Sinn

ifo Pressemitteilung, 24. Mai 2012

Professor Hans-Werner Sinn, ifo Institut und Universität München, hielt gestern in festlichem Rahmen die Van Lanschot Lecture an der Universität Tilburg. Ihm wurde die Ehre der Einladung zu dieser Vorlesung, wie sein Laudator Prof. Sylvester Eijffinger hervorhob, als erstem Deutschen zuteil.

Bei der Festveranstaltung wurde Sinn vom Rektor der Universität, Prof. Philip Eijlander, die Koopmans-Medaille für "herausragende Verdienste im Bereich der Wirtschaft, der Politik und der Wissenschaft" verliehen. Die Medaille ist die wichtigste Auszeichnung der Universität.

In seiner Rede mit dem Titel "The European Balance-of-payments Crisis" betonte Sinn, dass sich Europa bei seiner weiteren Integration die Vereinigten Staaten von Amerika zum Beispiel nehmen solle. Es solle nicht versuchen, das Rad der Geschichte neu zu erfinden, sondern die föderalen Strukturen des Geldsystems der USA kopieren. Dazu gehöre vor allem der Verzicht auf eine Schuldensozialisierung der Einzelstaaten und die Tilgung der Target-Salden. Die USA hätten in ihrer Anfangsphase die Schuldensozialisierung versucht, was aber erhebliche Fehlanreize hervorgerufen hatte, die in den 1830er und 1840er Jahren zu neun Staatskonkursen und erheblichen politischen Verwerfungen geführt hätte, die zu den Spannungen beitrugen, die 1861 zum Sezessionskrieg führten. Die USA hätten anfangs ein System gehabt, bei dem die Target-Salden zwischen den Distrikt-Notenbanken, die in der Eurozone mittlerweile bei über 900 Mrd. Euro liegen, mit Gold ausgeglichen worden seien. Später sei man zu einer Tilgung mit goldgedeckten Wertpapieren übergegangen, und heute müsse zumindest noch mit sicheren Wertpapieren getilgt werden. Nach dieser Regel hätte die Bundesbank das Recht, für 644 Mrd. Euro marktgängige Wertpapiere von anderen Eurostaaten zu erhalten, und die holländische Zentralbank könnte für 157 Mrd. Euro solche Wertpapiere erhalten.

Der Laudator, Prof. Eijffinger, hob hervor, dass Sinns Buch "Ist Deutschland noch zu retten?", das unter dem englischen Titel "Can Germany be Saved" auch bei MIT Press erschien, eine der populärsten politischen Monographien der jüngeren Geschichte sei. Sinn habe mit seinen Beiträgen zur Reform des deutschen Sozialstaates einen maßgeblichen Einfluss auf die Reformen der Regierung Schröder gehabt. Heute habe er mit der Aufdeckung der Target-Salden des EZB-Systems wiederum einen wichtigen Beitrag zur wirtschaftspolitischen Forschung geleistet. Dafür sei er von der britischen Zeitschrift The Independent zu einer der zehn wichtigsten Personen ernannt worden, die im Jahr 2011 die Welt verändert haben.

Sinn ist zum vierten Mal in den Niederlanden geehrt worden. Im Jahr 2004 hielt er die Tinbergen Lecture 2004 der Royal Netherlands Economics Association und im Jahr 2006 die Jelle Zijlstra Lecture. Im Jahr 2008 wurde ihm der Europapreis der Universität Maastricht verliehen.

Medienecho:
"Land moet in en uit euro kunnen stappen", De Financiele Telegraaf, 24. Mai 2012, S. T29