Der Chef des Münchner Ifo-Instituts präsentiert sein Buch zur Krise in der Euro-Zone. Es ist schon fast ein Krisen-Lexikon geworden und enthält nicht nur Kritik, sondern auch Lösungsvorschläge.
Kaum ein zweiter Ökonom hat sich während der Staatsschuldenkrise so engagiert in der Öffentlichkeit zu Wort gemeldet wie Hans-Werner Sinn. Der Präsident des Ifo-Instituts hat seine Erkenntnisse über die Krise nun in einem Buch zusammengefasst, das zuvor schon auf Englisch erschienen war. Das Buch richtet sich weniger an die Fachwelt als an den interessierten Laien. Über 560 Seiten analysiert und kommentiert Sinn die Krisengeschehnisse, herausgekommen ist fast so etwas wie ein «Lexikon» der Euro-Krise. Sinn ist nicht grundsätzlich ein Euro-Skeptiker. Im Gegenteil hat er «die Hoffnung für den Euro noch nicht aufgegeben». Doch der Währungsunion attestiert er Konstruktionsfehler, und mit dem Euro-System – dem Zusammenschluss aus Europäischer Zentralbank (EZB) und nationalen Notenbanken – sowie den europäischen Institutionen ganz allgemein geht er hart ins Gericht. Alle Krisenmassnahmen haben laut ihm nicht geholfen, die Wettbewerbsfähigkeit der Krisenländer zu verbessern, weil dazu eine deutliche reale Abwertung der einzelnen Währungen nötig wäre, die wegen der Gemeinschaftswährung nicht mehr möglich ist. Die EZB, die sich selbst laut Sinn gerne als «weissen Ritter» sieht, ist einem Rettungswahn verfallen, der die Lage der Krisenländer nicht verbessert, dafür aber das Haftungsrisiko für die Euro-Länder mit stabiler Haushaltslage dramatisch erhöht hat. Die gigantischen Rettungsaktionen der Notenbank sind laut dem Autor besonders problematisch, da die EZB keine demokratische Legitimation hat und mit ihren Aktionen Fakten schafft, die danach vom EU-Parlament nur noch durchgewinkt werden können. Sinn geht sogar so weit, den EZB-Rat als «Hegemon der Euro-Zone» zu karikieren. Doch Sinn kritisiert nicht nur, er präsentiert auch Lösungsvorschläge. Ihm schweben die «Vereinigten Staaten von Europa» vor, ein gemeinsamer europäischer Staat mit den USA als Vorbild. Wie für die USA soll laut ihm auch für die Euro-Zone ein striktes Beistandsverbot unter den Ländern gelten. Länder, die die Stabilitätskriterien nicht erfüllen, müssen den Euro verlassen, sollen später aber wieder beitreten dürfen. Der Euro soll auf diesem Weg flexibel werden – er soll atmen dürfen.