Der Ökonom Hans-Werner Sinn spaltet die Geister. Mit seinen Aussagen zur Lösung der europäischen Schuldenkrise hat er viel Kritik heraufbeschworen. Mit seinem Buch Die Target-Falle schlägt er nun zurück und erläutert seine Ansätze - samt Lösungsvorschlägen.
Wien - Hans-Werner Sinn wehrt sich. Der deutsche Ökonom und Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts Ifo hat für seine Kritik an den Rettungsmaßnahmen in der Eurokrise, zuletzt etwa ein Aufruf gegen die Bankenunion, viel Tadel von Kollegen, Medien und Politikern einstecken müssen.
In seinem Buch Die Target-Falle setzt Sinn zur Verteidigung an. Der rote Faden durch das Buch ist Target, das Zahlungsverkehrssystem der Eurozone. Target steht für Trans European Automated Real-time Gross Settlement Express Transfer System. Überweisungen zwischen den Zentral- und Geschäftsbanken werden über Target beglichen. Vor der Krise war das Zahlungsverkehrssystem eine langweilige Fußnote der europäischen Geldpolitik, doch die Krise und das Austrocknen privater Kapitalströme in der Eurozone haben Sinn dazu veranlasst, seine Reputation in die Waagschale zu werfen, um Target öffentlich zu diskutieren.
Denn die Salden des Target-Systems sind in schwindelerregende Höhen gestiegen. Die deutsche Bundesbank hält mehr als 700 Milliarden Euro an Forderungen, die den Schulden von Ländern wie Spanien und Italien gegenüberstehen und de facto nicht eingetrieben werden können: Würde die Eurozone zerbreche, seien mehr als 700 Mrd. Euro für die Deutsche Bundesbank und deutschen Geschäftsbanken (und damit für die Sparer) weg, argumentiert Sinn. Diese Rechnung mache Deutschland erpressbar.
Target spaltet die Geister. Zuletzt hat Susanne Schmidt, Tochter des ehemaligen deutschen Bundeskanzlers Helmut Schmidt, in ihrem Buch Das Gesetz der Krise Sinn angegriffen und ihm vorgeworfen, "unredlich" zu argumentieren, wenn er die Target-Salden als Kredite bezeichnet. Das Ifo-Institut veröffentlichte daraufhin vergangenen Freitag (einen Werktag vor Erscheinen von Sinns Buch) eine Replik und wies die Vorwürfe von Schmidt zurück.
Trotz seiner deutlichen Kritik an der europäischen Krisenpolitik ist Sinn kein Antieuropäer, er lobt an vielen Stellen seines Buches die Vorteile des freien Warenhandels oder der friedensstiftenden Bedeutung Europas. Doch Sinn hält viele Maßnahmen, die aktuell als alternativlos gelten (Stichwort: Rettungsschirme), für falsch. Seine Lösung: Von der USA etwa könne Europa lernen, wie man mit Salden im Zahlungsverkehr umgehen könne - dort werden sie einmal jährlich mit Buchungen ausgeglichen. "In den USA kann man nicht anschreiben lassen", schreibt der Ökonom.
Sinn verknappt allerdings hie und da stark, das macht es schwer, seinen Argumenten zu folgen. Die Target-Falle ist jedenfalls ein zen-trales Buch für jene, die den Unmut vieler deutscher Ökonomen - und zusehends der deutschen Öffentlichkeit - über die Schuldenkrise verstehen wollen.
Hans-Werner Sinn: "Die Target- Falle", Hanser Verlag, 19,90 Euro.