Für eine klimaschonende Wachstumspolitik. Die Antwort des Bundesumweltministers auf Hans-Werner Sinn und den NABU
Anlässlich der Verleihung des "Dinosauriers des Jahres" an den Präsidenten des ifo Instituts, Hans-Werner Sinn, haben er und der Vorsitzende des Naturschutzbunds (NABU), Olaf Tschimpke, in der Süddeutschen Zeitung ihre Argumente für und wider verschiedene klimapolitische Instrumente ausgetauscht. Ich will auf diese Fragestellung aus der Perspektive der Politik eingehen - und eine neue, entscheidende Frage hinzufügen: Wie kann Deutschland seine führende Rolle auf dem globalen Wachstumsmarkt der Klimatechnologien behaupten?
So unterschiedliche Institutionen wie McKinsey, Roland Berger, die Deutsche Bank oder Unternehmensführer wie Peter Löscher von Siemens und Jeffrey Immelt von General Electric kommen alle zu demselben Schluss: Klimaschutz ist der Wachstumstreiber des 21. Jahrhunderts. Der Grund sind globale Megatrends: Ungebremster weltweiter Energiehunger, damit verbundener Substanzverzehr bei Kohle, Öl und Gas, die drohende Klimakrise sowie die wachsende Weltbevölkerung. Diese Trends zusammen machen den Ausbau der erneuerbaren Energien und die Anwendung von Effizienztechnologien alternativlos.
Während politisch noch um die Frage gestritten wird, wer wann welche Klimaschutzverpflichtungen übernimmt, ist insofern auf der ökonomischen Ebene längst der Wettlauf um die Vorherrschaft in der "Low Carbon Economy", der klimaschonenden Wirtschaft,entbrannt. Die in den vergangenen zwei Jahren aufgelegten Konjunkturpakete zeigen dies sehr eindrucksvoll: Die USA stellten etwa 115 Milliarden US-Dollar für Investitionen in Umwelttechnologien bereit, China mit über 220 Milliarden Dollar etwa doppelt so viel. In Südkorea wurden über 80 Prozent des Konjunkturpakets grünen Maßnahmen zugeschrieben und das Ziel verkündet, bis zum Jahr 2020 zu einer der sieben führenden "grünen" Wirtschaftsmächte zu gehören.
Gegenwärtig ist Deutschlands Industrie noch stark im Bereich der Umwelttechnologien positioniert. Wir sind in diesem Bereich nach wie vor Exportweltmeister und haben mit 16 Prozent den größten Anteil aller Industrieländer am Weltmarkt. Doch es wird deutlich: Andere Länder ziehen jetzt nach. Unsere Führungsrolle ist kein Selbstläufer, sie muss in einem härter werdenden Wettbewerb verteidigt werden. Ambitionierter Klimaschutz liegt darum in unserem ureigenen wirtschaftlichen Interesse. Wer in der ökonomischen Auseinandersetzung um die Vorherrschaft in der "Low Carbon Economy" vorne mitspielen will, muss die richtigen politischen Antworten finden. Vor diesem Hintergrund ist auch die Debatte um die Instrumente der Klimapolitik einzuordnen.
Professor Sinns Frage ist berechtigt: Sind die gegenwärtigen Instrumente der Klimapolitik wirksam und ethisch vertretbar? Wer über Ethik redet, muss einen Blick zurück werfen. Denn unser Wohlstand basiert bisher auf dem Verbrauch der endlichen Ressourcen Kohle, Öl und Gas und der kostenlosen Nutzung der Atmosphäre als globale CO2-Deponie. Industrieländer, die lediglich 20 Prozent der Weltbevölkerung beherbergen, sind von 1990 bis 2000 für 80 Prozent der entstandenen energiebedingten CO2-Emissionen verantwortlich. Der CO2-Ausstoß pro Kopf in Deutschland ist acht Mal höher als in Indien und immer noch doppelt so hoch wie in China. Gleichzeitig sind Schwellen- und Entwicklungsländer von den Folgen des fortschreitenden Klimawandels besonders betroffen.
Vor diesem Hintergrund ergibt sich meines Erachtens eine klare ethische Verantwortung der Industrieländer, überdurchschnittlich zur Entwicklung kohlenstoffarmer Technologien und Verfahren beizutragen. Das bedeutet, dass das von Sinn geforderte und auch von mir unterstützte globale Emissionshandelssystem nur nach und nach aufgebaut werden kann. Nachdem es in Europa seit fünf Jahren funktioniert, ist der nächste sinnvolle Schritt eine Verknüpfung mit den USA und anderen Industrieländern. Anschließend sollte es auf die Schwellenländer ausgedehnt werden.
Doch die Entwicklungs- und Schwellenländer haben das Wohlstandsmodell des Westens vor Augen und eifern diesem nun nach - inklusive den damit einhergehenden Treibhausgasemissionen. Erst wenn wir belegen können, dass Klimaschutz und Wirtschaftswachstum zusammen gehen, werden sich wohl auch Entwicklungs- und Schwellenländer zu wirksamen Klimaschutzmaßnahmen verpflichten und Teil des globalen Emissionshandels werden.
Die Entwicklung innovativer, klimaschonender Technologien ist damit ein wichtiges Fundament eines globalen Klimaschutzregimes. Vor diesem Hintergrund sind - und hier stimme ich dem Vorsitzenden des Naturschutzbunds Tschimpke zu - Technologie-Förder-Instrumente wie das Erneuerbare-Energien-Gesetz dringend geboten. Denn eine aktive Technologiepolitik fördert die Entwicklung kohlenstoffarmer Technologien, unterstützt die politische Durchsetzbarkeit eines globalen Emissionshandelssystems und schafft die Voraussetzung für klimaschonendes Wachstum.
Dies hilft zugleich der Wirtschaft. Denn die starke deutsche Wettbewerbsposition auf dem wachsenden Markt der Klima- und Umwelttechnologien ist auch unserer Vorreiterrolle in der Umweltpolitik zu verdanken. Der hier entwickelte Mix aus marktwirtschaftlichen Instrumenten wie dem Emissionshandel, Förderinstrumenten wie dem EEG (Erneuerbare- Energien-Gesetz) und Ordnungsrecht wie der Energieeinsparverordnung ist insofern ein klassisches Beispiel von "good governance".
Mein Fazit lautet daher: Wer Wachstum will, muss auf Klimaschutz setzen. Statt theoretischer Dino-Diskussionen um die Instrumente der Klimapolitik brauchen wir eine Strategie, mit der Deutschland dauerhaft klimaschonendes Wachstum realisieren kann und seine Wettbewerbsposition auf Zukunftsmärkten stärkt. Hierzu gehört eine sorgfältige Analyse der Stärken und Schwächen der deutschen Wirtschaft, die Entwicklung der geeigneten Politiken und Maßnahmen und die Mobilisierung des kreativen Potenzials unserer Handwerker und Ingenieure. Dies kann der Staat allein nicht leisten. Deshalb habe ich den Klimaschutzdialog "Wirtschaft und Politik" ins Leben gerufen. Klimaschonende Wachstumspolitik ist das Gebot der Stunde.