Münchner Seminare
Euro-Kritiker Hans-Werner Sinn fällt durch versöhnliche Töne auf.
Schlechte Nachrichten für die Alternative für Deutschland (AfD). Hans-Werner Sinn, der prominente Ökonom und Bestsellerautor aus München, ist für die Euro-Gegner wohl endgültig verloren. Die Partei mit der steilen Erfolgskurve hat traditionell einen starken Professorenflügel. Mit dem emeritierten Hochschullehrer Joachim Starbatty aus Tübingen hat sie einen aufrechten Ordnungspolitiker in ihren Reihen. Wo Starbatty ist, denken viele bei der AfD, könnte doch auch Sinn sein! Das wäre für die Protest-Partei überaus schmeichelhaft, die unter dem Ruf leidet, eine Truppe älterer Professoren und miesepetriger Besserwisser mit rechts-nationalistischer Schlagseite zu sein.
Hans-Werner Sinn ist zwar auch schon Mitte Sechzig, steht aber voll im Saft. Als Präsident des Ifo-Instituts führt er eine der wichtigen Forschungseinrichtungen des Landes, er ist Multi-Ehrendoktor, vielfach mit Preisen ausgezeichnet und international geachtet. Im FAZ-Ranking der einflussreichsten Professoren Deutschlands steht er, natürlich, auf Platz 1. Sinn hat in seinem Leben schon viele Schlachten geschlagen, er hat sich mit der Politik angelegt wegen der wirtschaftlichen Fehler bei der Wiedervereinigung und wegen der Energiekrise, er hat sich die zockenden Banken vorgeknöpft – mit dem Euro aber hat er sein Lebensthema gefunden.
Der Mann, der seit seiner Jugend glühender Europäer ist (und passionierter Griechenland-Reisender) und der – was er nicht verschweigt – auch für die Einführung des Euro war, sieht die Währungsgemeinschaft seit ihrem Start heute auf Abwegen. Dank des einheitlichen Wechselkurses wurden die weltweiten Finanzströme in den europäischen Süden gelockt, was vor zehn Jahren zur Krise in Deutschland führte. Umgekehrt haben die Südstaaten die Dividende aber nicht genutzt und sich hemmungslos verschuldet – worüber sich Sinn seit Jahren vehement erregt. Er wettert gegen die Rettungsschirm-Politik und gegen die Europäische Zentralbank (EZB), die Schrottpapiere aufkauft und die Schuldenstaaten verbotenerweise finanziere, er geißelt die Vergemeinschaftung der Schulden und die Risiken für den deutschen Steuerzahler. Kein Wunder, dass die AfD das mit Wohlgefallen hörte. Sinn erkennt durchaus an, dass die Protestpartei einige richtige Fragen stellt, er mag mit ihr aber dennoch nicht warm werden.
Vielmehr wird Sinn, wenn die Zeichen nicht täuschen, mit zunehmender Dauer der Eurokrise immer nachdenklicher.
Bei der Vorstellung seines Buchs „The Euro Trap“, das er auf englisch bei der angesehen Oxford Universität Press veröffentlicht hat, schilderte er am Montag in München zwar gewohnt pointiert die Probleme durch den Euro, verweigerte aber die einfachen Antworten. Einen Nord- und Süd-Euro etwa, wie ihn die AfD fordert, lehnt Sinn ab, weil er um die Bedeutung der deutsch-französischen Achse weiß. Mehr noch: Er bekennt sich ausdrücklich zum Euro, den es zu erhalten gelte.
Dafür bringt er nun ein neues Geschütz in Stellung: den radikalen Schuldenschnitt. Man müsse Griechenland & Co. die Schulden erlassen, fordert Sinn heute, auch wenn man damit Fehlverhalten prämiere – anders aber hätten die Staaten keine Chance auf Erholung. Sinn zielt auch weniger auf die Staaten, sondern auf die internationalen Finanzinvestoren. Die Banken müssten wissen, dass sie der Steuerzahler nicht mehr rauspauke.
Einfache Lösungen gibt es nicht, es wird wohl ein Durchwurschteln geben, sagt er, nur leicht bekümmert. „Ich will doch den Euro erhalten, und ich glaube an die Vereinigten Staaten von Europa.“ Für viele Regierende in Berlin steht Sinn, der Talkshow-Star, unter Demagogie-Verdacht. Warum eigentlich noch?