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Die beiden prominenten Volkswirte Hans-Werner Sinn und Jürgen Stark werfen dem Chef der Europäischen Zentralbank Konzeptlosigkeit vor.
Jürgen Stark hat es sich nicht nehmen lassen, das neue Buch seines alten Verbündeten Hans-Werner Sinn in Berlin persönlich vorzustellen. Die Kombination der beiden prominentesten deutschen Kritiker der Europäischen Zentralbank (EZB) hielt, was sie versprach. Heraus gekommen ist eine schonungslose Abrechnung mit der Geldpolitik von Notenbank-Chef Mario Draghi. “The Euro Trap”, so der Titel von Sinns in Englisch erschienenem Buch, habe das Zeug ein Bestseller zu werden, lobte der frühere EZB-Chefvolkswirt Stark. Danach war am Mittwoch Schluss mit den Nettigkeiten.
Sinn und Stark befeuerten sich gegenseitig in ihrer scharfen Ablehnung des neuen Zentralbank-Kurses. “Die EZB betreibt nur kurzfristigen Aktionismus”, schimpfte ihr ehemaliger leitender Mitarbeiter. Beim Kauf von Unternehmensanleihen und verbrieften ABS-Papieren geht es den Frankfurter Notenbankern - so Starks Analyse - gar nicht um die Deflationsbekämpfung, sondern um die Schwächung des Wechselkurses. Diese Politik sei niemals durch den Auftrag gedeckt, woran sich der EZB-Chef aber nicht störe. “Draghi setzt den Kurs und zieht ihn durch”, sagte Stark. Von einem schwächeren Euro profitierten aber vor allem die deutschen Firmen, die ihn gar nicht bräuchten.
Die EZB-Politik als süßes Placebo
Das Duo Infernale im Zentralbank-Kosmos war sich völlig darin einig, dass der Maastrichter Vertrag als Fundament des Euros und seiner dazugehörigen Zentralbank völlig ausgehöhlt ist. “Die EZB betreibt schon lange keine Geldpolitik mehr. Das ist Rettungspolitik”, klagte Sinn. Sie helfe aber auch den Euro-Sorgenländern wie Italien, Frankreich und Spanien nicht, weil sich deren Wettbewerbsfähigkeit dadurch nicht verbessere. Der Präsident des Münchner Ifo-Instituts verglich die Südländer mit Kranken, die immer neue Geldspritzen der Zentralbank brauchen, weil ihr Lohnniveau immer noch viel zu hoch sei. Für den Fall, dass Italien und Frankreich den europäischen Fiskalpakt brechen sollten, um mehr Schulden zu machen, forderte Sinn den Austritt Deutschlands aus dem Rettungsfonds ESM.
Den Rufen nach einem großen staatlichen Investitionsprogramm in Deutschland, das auch auf andere Euro-Länder ausstrahlen könnte, erteilten beide Hardliner eine klare Absage. “Ich finde ich es richtig, dass wir einen eisernen Finanzminister haben”, sagte Sinn im Interview mit dem Wall Street Journal Deutschland. Zukünftigen Generationen dürfte nicht noch mehr auf die Schultern geladen werden. Stark bezweifelte den Nutzen solcher Programme für lahmende Euro-Partner, “weil der Importanteil bei solchen Investitionen bei 9 Prozent liegt”.
Der Weg aus der Eurofalle wird für die Peripherie steinig und schwer. Dass es geht, beweisen für Sinn und Stark die baltischen Staaten mit ihrem brutalen Reformkurs. In seinem Buch schlägt der Münchner Professor Sinn vor, eine Schuldenkonferenz einzuberufen. Dort soll mit den Gläubigern über den großen Schnitt verhandelt werden. Für Sinn ist klar: Auch Deutschland wird dann an Verlusten nicht vorbeikommen.