Leserbrief von Hans-Werner Sinn, Der Spiegel, 17.10.2011, S. 10
Enzensberger hat weder Adam Smith noch die Neoklassik verstanden. Die Neoklassik untersucht, unter welchen Bedingungen Märkte funktionieren und unter welchen sie versagen. Es geht um die Frage, wie aufgrund von Systemfehlern aus individueller Rationalität kollektive Irrationalität entstehen kann. Die Annahme des Rationalverhaltens hilft, die Systemfehler zu isolieren, und schützt davor, wirtschaftspolitische Empfehlungen aus der Hypothese der Dummheit der Menschen herzuleiten und damit Diktaturen zu rechtfertigen. Adam Smith war noch nicht so weit. Er hat mit seiner Metapher der unsichtbaren Hand zeigen wollen, dass kollektive Rationalität ohne zentrale Steuerung bereits aus den Marktprozessen entsteht. Er hat gerade nicht gesagt, wie Enzensberger meint (und so die Neoklassik begründet), dass man "das Vorgehen des Einzelnen ausgleichen und zum allgemeinen Besten wenden" müsse.
München, Prof. Dr. Hans-Werner Sinn Präsident des Ifo-Instituts